Kondolenzbuch für die Wiener Zeitung

Gerhard Walter (63) lebt am Gallitzinberg in Wien-Ottakring und ist seit Jahren von seiner Idee besessen: Schon 1999 schuf er die Online-Plattform www.andacht.at. Die Absicht dabei: im digitalen Zeitalter einen Gedenkplatz für Verstorbene, Tiere und besondere Ereignisse zu schaffen. Über die Masse der Publizität bestimmen die jeweiligen Angehörigen: Die Gedenkseiten sind nicht googlebar, die Hinterbliebenen machen den jeweiligen Link Personen ihrer Wahl zugänglich. Aber es gibt auch Ausnahmen: Walter kreierte ausgerechnet für die "Wiener Zeitung" eine allgemein zugängliche Gedenkseite mit echter Parte, Kondolenzbuch und Vita der "Verstorbenen". So schrieb Walter beispielsweise in die von ihm verfasste Todesanzeige: "Die Gründe für das Ableben und die Verantwortlichen bleiben für alle Ewigkeit im Internet gespeichert."

Im digitalen Kondolenzbuch setzt der Publizist und Musikmanager Walter Gröbchen diesen Gedankengang Walters gleich deftig um: "Der beschämend dämliche Satz der grünen Mediensprecherin Eva Blimlinger, die ,Wiener Zeitung‘ werde online in Hinkunft deutlich mehr Leser gewinnen - dabei gibt es die Digital-Version bereits seit 1995! -, soll hier nochmals festgehalten werden. Kann ja sein, dass man das schwarz auf weiß nachlesen will und wird, wenn wir bald schon an andere, bessere Zeiten zurückdenken. Ruhe in Unfrieden, ,Wiener Zeitung‘!"

Auch der Wiener Autor Georg Biron, bekannt für seine wenig zimperliche Wortwahl, bedauert in seiner Kondolenz auf www.andacht.at das Ende der "Wiener Zeitung". Seinen Beitrag beendet Biron, der oft pointierte Artikel verfasst hat, mit den wenig höflichen Worten: "Möge die Attentäter der Blitz beim Scheißen treffen."

Gewählter, aber ebenso spitz formuliert ist der Beitrag des Medienhistorikers Wolfgang Duchkowitsch. Er ortet eine "Medienpolitik wie im Absolutismus". Schauspielerin und Radiosprecherin Sandra Kreisler zum Abschied in ihrer Kondolenz: "Eine Schande ist es, eine gute und ehrwürdige Zeitung ohne Not einfach zu killen." Wenn auch Sie einen Eintrag im Kondolenzbuch von Walters Andacht vornehmen oder einen Blick darauf werfen möchten: www.andacht.at/wienerzeitung