Lucia (Luzia) Westerguard ➛

28. 10. 1912 – 1. 3. 2009

Eine Spurensuche

lucia-westerguard fotografiert von nurith wagner strauss
© nurith wagner strauss

Luzia Westerguard war ein Wiener Original und stadtbekannt wie Waluliso oder „Der General“

Luzia und ihr Mann Dick Westerguard war ein Artistenehepaar, das im Dachboden das Hauses Tuchlauben 19 wohnte. In Ihrem Arbeitsausweis des Zirkus Carl Hagenbeck ist sie als »Luzia Richter« bezeichnet.
Die beiden waren Stars und gingen mit ihren Nummern auf Reisen. Bei einer Amerika-Tournee 1927 trat Dick sogar als als Boxer im Madison Square Garden auf.
In Texten über ihn ist zu lesen, dass er einer Hernalser Tischlerfamilie entstammt und sich als Halbwüchsiger einem Zirkus anschloß. Unklar bleibt, ob „Westerguard“ Künstlername oder tatsächlich sein Taufname war.

Grab von Luzia und Dick Westerguard am Wiener Zentralriedhof ©Andacht.at

Das Grab von Luzia Westerguard und ihres Mannes Dick Westerguard befindet sich am Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 73, Reihe 9.

Auffallend ist, dass ihr Name durchgängig »Lucia« geschrieben wurde: Am Grab jedoch »Luzia« steht...

Letzte Änderung: 8. 3. 2023

Montag, 28. Oktober 1912

Lucia kommt als eines von 3 Kindern zur Welt. Der Bruder Hans ist sieben Jahre älter, ihre Schwester Anna etwa drei Jahre älter. In einem Dokument des Circus Hagenbeck wird sie als »Luzia Richter« genannt. Vermutlich war „Richter“ ihr Familienname.

1915

Der Vater stirbt mit 36 Jahren plötzlich daheim in Anwesenheit seiner Kinder, nachdem er offenbar wie immer Milch für die Familie aus Kagran geholt hat. In ihrer Erinnerung war der Vater „schwerst krank“.[sic] Der Vater arbeitete in einem Möbelgeschäft auf der Praterstraße.

1919

Nach dem Krieg, kommt sie für ein Jahr nach Holland und wohnt bei der (kinderlosen) Familie eines Gerichtsrates. Als der nach Amerika abreist, kommt sie zu einer Familie mit 13 Kindern. Dort bleibt sie ein ganzes Jahr.

1935/36 Hochzeit

1935 oder 1936 heiratete sie einen Filialleiter vom Meinl. Das gemeinsame Kind heißt Elfi (Elfriede?). Sie richten eine Wohnung in der Oberen Donaustrasse ein. Die Solotänzerin Grete Führer, die sie im Gespräch mit erwähnt wohnt in der Oberen Donaustrasse 43, also möglicherweise in der Nähe. 1920 eröffnet Julius Meinl eine Filiale am Stephansplatz Nr. 3. Gut möglich, dass ihr Mann dort als Filialleiter arbeitete...

1942

Lucias Bruders Hans stirbt mit 37 Jahren nach Misshandlungen durch die Gestapo. Vorangegangen war ein Verhör nach einem beobachtetem Pelzkanauf von einem ihm nahestehenden jüdischen Freund. Die Intervention durch eine Freundin ersparte ihm offenbar die Haft. Die Folgen von Schlägen auf den Kopf führten jedoch alsbald zu Tod.

1944

13. Oktober 1944 Geburt des Sohnes Rudi (Rudolf)

4. November Taufe des Sohnes

Marholds Gasthaus

Lucia Westerguards Bruder Hans war Oberkellner im Gasthaus Marhold - Wipplingerstraße 20. Im Gespräch mit Eva Geber erwähnt sie, dass ihre Mutter fürs Gasthaus die Tischwäsche wusch.

Max Lustig

Der von Lucia im Gespräch mit Eva Geber erwähnte Max Lustig war Schauspieler und Conférencier (1. Juli 1906, 11. Juli 1982)

 

Selchwarengeschäft Taborstrasse 24

Das von Lucia im Gespräch mit Eva Geber erwähnte Selchwarengeschäft in der Taborstrasse 24 konnte ich im ANNO nicht verorten. In der Taborstrasse existierten damals mehrere Selcher und Fleischhauer. Nicht jedoch an Nummer 24.

Zuckerbäckerei Abraham & Schober

Die von Lucia im Gespräch mit Eva Geber erwähnte Zuckerbäckerei Abraham & Schober konnte ich im ANNO nicht verorten

Hugo Schenk

Der von Lucia im Gespräch mit Eva Geber erwähnte Hugo Schenk war ein Hochstapler und Serienmörder »

Nach Westerguards Erzählung wohnte dessen Freundin im gleichen Haus wie sie. Allerdings Jahre zuvor, denn er wurde 1884 im Hof Nr. 1 des Wiener Landesgerichtes hingerichtet.

Die Romanos

Der von Lucia im Gespräch mit Eva Geber erwähnten Romanos waren eine Artistengruppe mit deren Mitgliedern Westerguard befreundet war.

 

 

Cafe Oberkogler »zur goldenen Kugel«

Cafe Oberkogler »zur goldenen Kugel« Wien 1, am Hof. Ecke Drahtgasse?

Grete Führer

Jakob Werdenich

wohnte im gleichen Haus im Ledererhof?

 

Balletschule am Fleischmarkt

Die von Lucia im Gespräch mit Eva Geber erwähnte Balletschule am Fleischmarkt konnte ich im ANNO nicht verorten.

Auch der Name »Morer« (Ballettmeister) konnte nicht gefunden werden.

Tanzschule Neuber

Große Pfarrgasse 12, 1020 Wien

Gabrielle Rizardi

Christian Herrlich von der Dompfarre St. Stephan schreibt in einem Mail vom 8. Februar 2023, dass Lucia Westerguard von Frau Gabrielle Rizardi betreut wurde und versprach Kontaktaufnahme.

März 2009

2009 produziert Okto ein Video über sie und ihr Begräbnis. Toni Faber hält die Ansprache. Meine Nachfrage per Mail nach den Koordinaten des Grabes im Februar an die Dompfarre ergibt lediglich, dass man sich dort nicht erinnern kann und nicht einmal den Friedhof nennen kann. Auch meine Mails an Okto bleiben ebenso unbeantwortet, wie an Robert Weichinger (Regisseur), Andrea Eckert, Markus Fischer und den Verlag Der Apfel. Lediglich Nurith Wagner-Strauss reagiert und erlaubt mir die Nutzung ihres Fotos.

Luzia Westerguard (geboren als Luzia Richter?) wuchs im 1. Bezirk am Hof im Ledererhof auf. Luzia hatte zwei Geschwister. Der Bruder war sieben Jahre älter, ihre Schwester etwa drei Jahre älter. Im Buch von Eva Geber ist auch ihr Bruder Hans abgebildet. Die Mutter war Schneiderin, der Vater arbeitete in einem Möbelgeschäft auf der Praterstraße.

Nach eigenen Angaben arbeitete sie schon als Kind. Nach Ausbildung zur Tänzerin und folgt die Heirat mit einem Filialleiter vom Meinl und der Geburt ihrer Tochter Elfi. Luzia findet Arbeit beim Zirkus Hagenbeck, im damaligen Kabarett Renz. Im zweiten Weltkrieg verliert sie ihren Bruder und ihren Sohn Rudi. Ihr Mann stirbt im Krieg und sie „haust“ in einem ausgebrannten Wohnwagen des Zirkus Hagenbeck.

In dieser Zeit trifft sie auf Dick – sie leben eine Schicksalsgemeinschaft. Es gelingt ihnen, eine Existenz aufzubauen, mit ihrer Nummern Engagements zu finden, sie gehen auf Reisen, sie arbeiten im Zirkus, in Varietés, bei Veranstaltungen und in Nachtlokalen. So lange, bis Dick während eines Auftritts die Kräfte verlassen. Betreut wurde Luzia Westerguard nach Auskunft der Dompfarre St. Stephan von Gabrielle Rizardi.   Die Künstlerin Carola Dertnig wird ein Monument für die legendäre Wiener Saxofonistin und Zirkusartistin Luzia Westerguard errichten.


DerStandard, Posting im September 2021

... mit ihrem über 100 Jahre alten Saxophon spielte sie in den 1970er Jahren an der Pestsäule am Graben. Sie pausierte 2 Jahre während der Pflege ihres Mannes, der 2003 mit 101 Jahren starb, danach machte sie wieder Musik. Lucia Westerguard starb 2008. Sah und hörte sie Ende der 60er, Anfangs der 70er auch öfters an der Ecke Graben Kohlmarkt stehend, an Novembertagen, als Wien noch grau und nachkriegsmäßig war: Melancholische Saxofonklänge, die diese morbide, alleinstellungsmerkmal behaftete Wien-Stimmung hervorriefen ...



Danke für unentgeltliche Unterstützung und Mithilfe:

Ronnie Niedermeyer, Nurith Wagner-Strauss, Christian Herrlich (Dompfarre St. Stephan)

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