Karl Bednarik ➛

Karl Bednarik war ein Wiener Maler und Schriftsteller

Karl Bednarik (* 18. Juli 1915; † 14. Jänner 2001 ) war ein Wiener Maler und Schriftsteller mit sozialkritischem Engagement. Karl Bednarik ist in Wien geboren, bis zu seinem Tod lebte er in 1220 Wien/Stadlau.

Mit seinen Talenten zum Malen und Schreiben und dem Wunsch als freischaffender Künstler zu leben, nahmen ihm Schicksal und viele Zufälle nach dem Start einer vielversprechende Karriere als Maler die Entscheidung ab: auch als Schriftsteller gab er seine Liebe zur Malerei jedoch nie auf. Als Herausgeber der Reihe »Antworten« (Jugend & Volk) und Leiter der Galerie »Alte Schmiede« in Wien wurde er später Kommunikator und Förderer für viele seiner Zeitgenossen in der kulturellen Nachkriegsgesellschaft.


Karl Bednarik, in Wien geboren, starb 2001 im Atelierhaus in Stadlau. Sein Ziel war, als freischaffender Künstler zu leben, seine Talente Malen und Schreiben machten ihm die Entscheidung schwer. Nach einer Lehre als Buchdrucker, Arbeitslosigkeit, Militärdienst und als Schweißer im Flugmotorenwerk Ostmark, arbeitete er später im Steyr-Werk, was er in vielen Zeichnungen dokumentierte. Nach autodidaktischen Malstudien und drei Semestern an der Akademie der bildenden Künste (Professor Andersen) startete er eine vielversprechende Karriere als Maler. Daneben übte er, um den Lebensunterhalt für seine wachsende Familie zu sichern, verschiedene Berufe aus, u.a. als Metallarbeiter (Metallspritzer, Metallspritzen ist dem Autogenschweißen verwandt), als Hilfsarbeiter bei niedrigstem Lohn unter Arbeitsbedingungen, die den Sozialgesetzen nicht entsprachen. Immer öfter kamen dazu schriftstellerische Arbeiten für verschiedene Zeitschriften (z.B. in »Wort und Wahrheit«, »Forvm«, »morgen«, »Wort in der Zeit«)

„Existentiell pendelte ich zwischen den neuen Arbeitskollegen und treugebliebenen Freunden – eine schizoide Situation. Wie in früheren Fabrikstagen lebte ich in zwei Welten. Da ich noch weniger als in der Nazizeit meine geistigen, künstlerischen und politischen Bemühungen verhehlte, blieben sie den Arbeitskollegen nicht verborgen. Meine volksbildnerische Neigung, gewiß auch die Eitelkeit, mich in Szene zu setzen, verleitete mich dazu, sie zu belehren, wenn sie banalen Unsinn redeten. Ich wollte sie erstens aus ihrer Dumpfheit herausholen und zweitens dazu bringen, sich gewerkschaftlich zu organisieren, um unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das „neue Wir“ wurde etwas erweitert, als ich Raimund mit Rudi, Peter Huber, Roman Haller, Herbert Wadsack und Henning Bultmann bekannt machte. Die anderen Freunde konnten mit „Proletariern“ nicht umgehen und vermieden ein näheres Bekanntwerden. Fritz zum Beispiel hatte schon im Krieg meinen freundschaftlichen Umgang mit Paida und Zbudila ignoriert und war Zusammentreffen mit ihnen ausgewichen. In solchem Verhalten zeigt sich ein allgemeines gesellschaftliches Problem: Auch nicht arrogante Intellektuelle schrecken oft vor der naiven und zuweilen rüden Unbefangenheit „ungebildeter“ Arbeiter zurück, wogegen diese entweder der „Gescheitheit“ der Gebildeten zuviel devote Ehrfurcht erweisen oder sich „aufsässiger“ gebärden, als sie wirklich sind. Das erschwert es, Angehörige der beiden Schichten zusammenzubringen.“

Als Schriftsteller setzte er sich in seinen Essays und Romanen zunehmend mit den soziologischen Aspekten der durch die Technisierung der Arbeitswelt ausgelösten Umwälzungen auseinander. 1951 erschien die ersten Roman, 1953 der zweite sowie der sozialwissenschaftliche Essay »Der junge Arbeiter von heute – ein neuer Typ«, der große Beachtung fand. Damit schaffte er den Durchbruch – die Weichen in Richtung Schriftstellerei waren gestellt.

1953 bis 1955 arbeitete Bednarik im sogenannten Script-Departement des Senders Rot-Weiß-Rot und gestaltete zahlreiche Radiosendungen. Ab 1957 verfasste er Drehbücher zu Themen der bildenden Kunst und Literatur für das österreichische Fernsehen. Es folgte eine länger dauernde Zusammenarbeit mit dem ORF, darunter die von ihm gestaltete Produktion „Schwarz auf Weiß – Abenteuer der Zeichenkunst“, welche den Werken bedeutender Künstler gewidmet war. Weitere erfolgreiche Bücher zu gesellschaftlichen Themen, veröffentlicht im Molden-Verlag, wurden in viele Sprachen übersetzt. Von 1968 bis 1975 war er Herausgeber der Reihe »Antworten« (Jugend & Volk), von 1975 bis 1980 leitete er die Galerie »Alte Schmiede« in Wien. Ein Roman und seine Lebenserinnerungen blieben unveröffentlicht. Fast bis zu seinem Lebensende widmete er sich weiterhin auch der Malerei.

Karl Bednarik erhielt mehrere Auszeichnungen, nach seinem Tod wurde ein Gasse im 22. Wiener Gemeindebezirk nach ihm benannt. Den literarischer Nachlass erwarb das Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.

Anlässlich des 100. Geburtstages war in der zeitvertrieb-gallery in 1070 Wien, Kirchengasse 36, von 18. Juni 2015 bis September eine Ausstellung mit Gemälden und Zeichnungen von Karl Bednarik zu sehen. Bedeutende Teile des künstlerischen Nachlasses gingen anschließend 2016/17 als Schenkung an die Stadt Wien – MUSA (Sammlung zeitgenössischer Kunst der Kulturabteilung der Stadt Wien). Von der Vernissage gibt es einen Videofilm von Gerhard »GeWalt« Walter.

Im Februar 2019, anlässlich des 100. Geburtstages von Margarethe Bednarik, wurde der Briefwechsel (1937–39, der in ihrem Nachlass gefunden wurde) in Buchform gefasst: »Liebe Gretel! – Lieber Karli!«. Sie (18 J.) war damals als Köchin in England, er (22 J.) arbeitslos in Wien, auf Manöver in der Tschechoslowakei bzw dienstverpflichtet am Bau der AB München–Stuttgart. Das Buch (224 Seiten, sw illustriert mit Zeichnungen von Karl Bednarik, Fotos und Ansichtskarten) wurde in einer Auflage von 15 Stück für die Familie gedruckt und sucht einen Verleger. Auch die Lebenserinnerungen, W.I.W. wurden noch nicht veröffentlicht sowie der Roman »Die Aplatas« (Geschichte einer Wiener Arbeiterfamilie im Jahr des Justizpalastbrandes, 1927, aufbauend auf autobiographischen Kindheitserlebnissen), der sich bestens als Gratisbuch für die Wien-Aktion »Eine Stadt – ein Buch« in 5 Jahren eignen würde. (Alle Rechte bei der Familie Bednarik-Grieder.)


Rede bei der Krematoriumsfeier am 24. 1. 2001

Liebe Gretl, liebe Familie, wir alle sind gekommen, um mit Euch gemeinsam Abschied zu nehmen von Karl Bednarik – Maler, Literat, Soziologe, Humanist, Familienmensch und selbstloser echter Freund.

Lieber Karl, weder Du noch Deine Arbeiten gehören einer Schule an. Du warst immer Dein eigener Lehrer und auch Dein eigener Schüler. Unser gemeinsamer Freund Jörg Mauthe sagte einmal dazu:

Da der Lehrer sehr anspruchsvoll ist und der Schüler zu Eigenwilligkeit neigt, ergibt sich eine schwierige Situation, der ein anderer als Karl Bednarik wohl nicht gewachsen wäre.

Wer war Karl Bednarik, von dem seine fünf Kinder sagen:

Deine Ideen, Leidenschaft, Neugier, Dein Kampfgeist, Zorn, Deine Ungeduld, Kraft, Lebensfreude, Hingabe an das Gute, Deine Konsequenz, Dein Widerspruchsgeist, Deine Toleranz, Deine Zärtlichkeit, Zuwendung und Liebe – mit einem Wort DU lebst weiter in uns.

Geboren im Ersten Weltkrieg, Sohn eines engagierten Sozialdemokraten, die Mutter im Dienst, immer außer Haus schwer arbeitend, erlebte er seine Jugend in den Gassen von Erdberg. Schon damals war es sein Wunsch, Maler oder Schriftsteller zu werden, was er lernbegierig und mit vielen Zeichnungen in der Schule andeutete.

Mit 12 Jahren erlebt er das Massaker vor dem Justizpalast in der unmittelbaren und brutalen Konfrontation mit dem Tod. Sein letzter Roman »Die Aplatas«, eine Wiener Familie 1927, als der Justizpalast brannte, ist Aufarbeitung persönlichen Erlebens, die Schilderung der Leiden und Verfolgungen in dieser Zeit.

Als er die Schule beendet, steigen am Horizont drohende Wolken auf: die Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre bringt Arbeitslosigkeit, Not und Elend, auch sein Vater, der Goldschmiedgeselle, ist ohne Arbeit. Karl findet mit Mühe eine Lehrstelle als Buchdrucker. 1934 wird der junge Arbeiter aus politischen Gründen entlassen. Der Sinn des Lebens ist Lernen, und Karl Bednarik studiert Kunstgeschichte, Maltechniken und Literatur als Autodidakt. 1936 lernt er in einer illegalen sozialistischen Jugendgruppe Gretl Maisel kennen und lieben, 1940 heiraten sie.

Mehr als 60 Jahre stand Gretl ihrem Karl bei all seinem Tun helfend, korrigierend und unterstützend zur Seite. Und es war wahrlich nicht immer leicht, als Maler und Schriftsteller freischaffend zu existieren. Karl geht seinen Weg: Nach dem Zweiten Weltkrieg zwei Semester an der Akademie für bildende Kunst, Mitbegründer des Neuen Hagenbundes in Wien und des Österreichischen College, Personalausstellungen und Beteiligungen an Ausstellungen im In- und Ausland. Die Albertina, die Stadt Wien und die Galerie des 20. Jahrhunderts kaufen seine Bilder. Daneben kunsttheoretische und kunstkritische Veröffentlichungen. 1951 erscheint sein erster Roman »Zwischenfall in Wien«, 1953 »Der junge Arbeiter« – aufsehenerregend, viel diskutiert, von Funktionären mißverstanden. Mitarbeit im Sender Rot-Weiß-Rot, dann das neue Medium Fernsehen. Karl Bednarik ist dabei – und wieder Filme zu Themen der Literatur und der bildenden Kunst, aber auch herrliche Beiträge in Folgen des Fensterguckers.

1965 bis 1969: Karl Bednarik ist seiner Zeit weit voraus; es erscheinen seine wichtigen und seherischen Bücher: »An der Konsumfront«, »Die Programmierer«, »Die Lerngesellschaft«, »Die Krise des Mannes« und »Die unheimliche Jugend«. In- und ausländische Verlage geben die Bücher heraus, die in viele Sprachen übersetzt werden.

In seinen Büchern finden sich Sätze – vor mehr als 35 Jahren geschrieben – die von heute sein könnten, wie:

Kybernetik wird in vielen Berufs- und Arbeitsformen, die noch nicht davon berührt sind, einbezogen werden. Man kann die Zeit erahnen, in der jeder Schüler eine Grundausbildung in Kybernetik erhalten wird, wie bisher im kleinen und großen Einmaleins.

Oder typisch Bednarik:

Vielleicht lernt der Mensch doch einmal seine Maßlosigkeit zugunsten eines höheren Prinzips einzuschränken.

Von 1968 bis 1975 wirkt er als Herausgeber der Buchreihe »Antworten«, Informationen zu Problemen der Gesellschaft. Von 1975 bis zu seiner Pensionierung ist er Leiter der Galerie »Alte Schmiede« in Wien, die von ihm auch mitbegründet wurde. Als Organisator von Ausstellungen und als Entdecker von Künstlern war er unermüdlich im Einsatz, er hat die Kunst zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Ehrungen blieben nicht aus. Der Bundespräsident verlieh den Berufstitel Professor, die Stadt Wien das Goldene Verdienstzeichen.

Karl Bednarik liebte die Natur und insbesondere die nähere Umgebung Wiens: die Weikendorfer Remise, diese einzigartige Graslandschaft, den Hundsheimer Kogel mit seiner wundersamen Flora, die großen Familien-Osterspaziergänge auf dem Bisamberg – ohne Rücksicht auf das Wetter. Sein Haus, bezeichnenderweise in der Löwenzahngasse, ein offenes Haus voller Leben, ein Paradies für Kinder, die er so liebte.

Wenn ich an Karl Bednarik, mit dem mich eine 40jährige Freundschaft verbindet, denke, habe ich Wehmut – jene Empfindung, die so kostbar zusammengesetzt ist aus Freude, daß es Karl gab, aus Trauer, daß er von uns gegangen ist, unabänderlich, aber mit Erinnerung, die immer bleiben wird.


Vernissage 18. Juni 2015
zeitvertrieb.net
Vernissage 28. Juni 2014
Galerie KULTUR•PUNKT, Hardegg

Weggefährt:innen und Freund:innen

Dr. Jörg Mauthe

Jörg Mauthe, 1924–1986, Journalist, Schriftsteller, Kulturpolitiker, Freimaurer … und lebenslanger Freund von Karl Bednarik.

Jörg Mauthe studierte Kunstgeschichte und Germanistik an der Uni Wien und arbeitete ab 1947 als Journalist und Kunstkritiker. Beim US-amerikanischen Besatzungssender Rot-Weiß-Rot leitete er die Abteilung Wort. Zusammen mit Peter Weiser, dem Regisseur Walter Davy, Ingeborg Bachmann (1951–53) und Karl Bednarik (1953–55) konzipierte er die beliebten Hörfunkserien »Die Radiofamilie« (1952–60) und »Der Watschenmann« (1950–55 und 1967–74).

Aus W.I.W.:

»Zu großer Popularität und einigen Skandalen brachte es der am Vormittag jedes Sonntags gesendete „Watschenmann“. Diese typische Mauthe-Kreation, bissige Rundumschläge, vorwiegend innenpolitischer Art, richtete sich stark gegen den „Amtsschimmel“, also gegen bürokratische Missstände. Sie stand gewissermaßen unter dem Shakespear’schen Motto: „Denn wer ertrüg’ der Zeiten Geisel, des Mächt’gen Druck, des Stolzen Misshandlungen, des Rechtes Aufschub, den Übermut der Ämter und die Schmach, die Unwert schweigendem Verdienst erweist.“ Die Sendung ging meiner Ansicht nach leider an ernsthafter Gesellschaftskritik vorbei. Ich bezeichnete sie ironisch als eine Art von Ersatzgottesdienst für atheistische Spießer, denn sie lieferte auf spaßhafte Art vorwiegend, der Mentalität vieler österreichischer Bürger entsprechend, Vorwände zur Raunzerei. Verändert hat sie wenig, sie rief nur den Zorn der angegriffenen, meist von Sozialisten dominierten Institutionen hervor. […]

Eine neue Kulturzeitschrift war entstanden, „Magnum“, eine der interessantesten dieser Tage und vielleicht eine der besten, die es je in Wien gegeben hat. Ein mir unbekannter Herr Pawek war der Chefredakteur, Fritz Hansen-Løve, der Kunsthistoriker Fred Schmeller und der Photograph Franz Hubmann gehörten zum Redaktionskomitee, Hans Schaumberger besorgte die graphische Gestaltung. Ich wurde zur Mitarbeit aufgefordert und, da mir die Zeitschrift gefiel, schrieb ich Kurztexte und Artikel. Beachtung fand einer mit dem Titel „Neue Ideale“. Ich berichtete darin über tüchtige junge Leute, die Karriere gemacht hatten, gewissermaßen die „Yuppies“ von damals. Darunter war Jörg Mauthe, der infolge des Erfolgs seiner Serie „Die Radiofamilie“ Chefdramaturg des Senders der amerikanischen Besatzungsmacht geworden war. Dieser Sender „Rot-Weiß-Rot“ war beim Publikum beliebter als die von Koalitionsparteien und den Sowjets dominierte „Ravag“, wo Fritz die Stelle des Programmleiters angenommen hatte. Fritz und Jörg lagen im dauernden Konkurrenzkampf miteinander. […]

Trotz aller Konkurrenz blieben Fritz und Jörg lange Zeit Freunde. Als mich Jörg fragte, ob ich zu ihm in den Sender kommen wolle, hatte Fritz seine Hand im Spiel, er hat mich empfohlen. Ich vermute, dass er mich in der Ravag nicht haben wollte, um nicht des „Nepotismus“ bezichtigt zu werden, vielleicht befürchtete er auch wegen meiner Verfemung durch Kommunisten und Sozialisten in Schwierigkeiten zu geraten, wenn er mich für eine Anstellung vorgeschlagen hätte. Fritz’s Empfehlung wäre nicht notwendig gewesen, denn Jörg schätzte meine Arbeiten. Und er brauchte einen neuen Mitarbeiter in seinem Team.
Im Unterschied zu dem Riesenapparat der RAVAG war „Rot-Weiß-Rot“ eine Greislerei. Die ganze Dramaturgie, das sogenannte „Skript-Departement“, bestand aus fünf Personen: Jörg Mauthe, seinem Subchef und Partner Peter Weiser, der Lyrikerin Ingeborg Bachmann und zwei Sekretärinnen. Diese fünf Leute besorgten die Vorbereitung des gesamten literarischen Programms, wofür in der RAVAG einige Dutzend beschäftigt waren.
Rührend, und mich ein bißchen belustigend, nahm sich Ingeborg Bachmann meiner an. Sie lud mich ein und gab mir Ratschläge. Sie wusste, dass Weiser nicht für meine Aufnahme war, äußerte die Meinung, dass er mir hart zusetzen würde und riet mir, wie ich ihm mit Ignoranz widerstehen könnte. Weiser wäre ein Vielwisser, ein lebendes Lexikon, man könne ihm nur beikommen, wenn man ihn mit Wissen verblüffe, das er nicht besaß. Ich bin dann mit ihm ganz gut ausgekommen, zuweilen unterstützte er mich sogar, wenn ich mit Mauthe Differenzen hatte.
Nachdem Ingeborg Bachmann mit einem Hörspiel großen Erfolg errungen und gut verdient hatte, kündigte sie. Als Ersatz hatte Jörg Mauthe neben mir Wolfgang Kudrnoffsky ins Auge gefasst, der Psychologie studiert hatte und als Photograph bekannt war. […]

Jörg hat mich seit unserer ersten Begegnung beeindruckt, ich habe über ihn notiert, dass er aussehe, wie aus Ton gebrannt: hart, aber spröd und zerbrechlich. Wie der Maler Lehmden hatte er die rechte Hand verkrüppelt, es fehlten ihm die vorderen Glieder dreier Finger. Nach seiner Aussage hatte er sie sich als kleiner Bub, unvorsichtig mit einem Beil hantiertend, selbst abgehackt. Er war nie Soldat gewesen, weil er kein Gewehr hätte halten können. Obwohl er mit mir nie über seine Erfahrungen mit dem Tod gesprochen hatte, war er wie ich ein Grenzgänger, der den im Leben immerwährend wirkenden Tod erkannte – das hat uns in Zukunft bis zu seinen letzten Lebenstagen verbunden. […]

Jörg war, neben Fritz, der Freund, dem ich die meisten Bekanntschaften mit Menschen verdanke. Wir haben einander oft eingeladen und besucht, er uns im Haus und im Atelier, wir ihn zuerst in seiner Wohnung, dann in seinem adaptierten Bauernhaus in Mühlleiten am Rand der Lobau, später in der Mollenburg, deren Wirtschaftsbauten er mit Hilfe seiner Söhne Andreas, Phillip und Thomas renoviert und bewohnbar gemacht hat. Im Erwerb und der Wiederbelebung der Mollenburg verdeutlichen sich zwei romantische, aber sehr disperate Extreme von Jörgs Denkens, eine konservative und eine utopische. […] Es ging ihm einerseits darum, im Sinne freimaurerischen Wirkens in der Burg eine friedliche Begegnungsstätte für Menschen verschiedenster Gesinnungen zu schaffen, andererseits im Fall einer Katastrophe einen Zufluchtsort für seine Freunde: Wir, seine Logenbrüder, würden im Notfall dort Unterkunft und Hilfe finden.

Am 11. 1. 1964 bin ich in den Bund der Freimaurer aufgenommen worden. Ich hatte mich nach vielen Gesprächen mit Jörg Mauthe und seinen mehrmaligen Aufforderungen, mich um die Aufnahme zu bewerben, dazu entschlossen, nachdem er meine Bedenken, etwas von meiner geistigen Unabhängigkeit zu verlieren, oder verdächtigt zu werden, im Auftrag irgendwelcher „Oberen“ gesteuert zu werden, zerstreut hatte. Ein Grund, mich letztlich überzeugt hat, war, dass ich die Erwartung hegte, ein neues institutionelles „Wir“ zu finden, das über inkonstante gesellschaftliche Beziehungen hinausreicht. Ein „Wir“, das nicht nur mich und meine Familie einschließen konnte, sondern einen die gesamte Menschheit umfassenden Umfang hat, […] Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. […]

Jörgs politische Gesinnung hat sich in den langen Jahren unserer Freundschaft einige Male merkwürdig gewandelt. Am nächsten sind wir uns gekommen in unserer konsequenten Ablehnung nationalsozialistischen Denkens. […] Wir haben in diesem Jahrzehnt in der Loge das Thema „Anarchie“ lebhaft diskutiert. Jörg vertrat damals die Ansicht, dass die FM ihrem eigentlichem Sinn nach eine anarchische Vereinigung sei. Mir gefiel das, ich hatte mich seit frühester Jugend Autoritäten nie bedingungslos unterworfen. Die anarchistische Grundidee ist primär ja nicht das Bombenwerfen und Umbringen von Gegnern, sondern das Prinzip der Herrschaftslosigkeit – in diesem Punkt stimmten Jörg und ich überein. Wir deuteten die FM in diesem Sinne, denn sie kennt keine andere Autorität als die des Rituals – die Menschen, die dieses zelebrieren, sind demokratisch gewählte „Beamte“, keine Befehlshaber, die dem Einzelnen für sein privates Leben Verhaltensweisen vorschreiben können. Die Organisation der FM ist demokratisch aufgebaut, darin waren wir einig.«

Ab 1967, nach dem Rundfunk-Volksbegehren wurde Mauthe Kulturredakteur und Programmplaner im ORF, wo er auch an Drehbüchern mitwirkte, so in den 1980er Jahren für »Familie Merian«. Der damalige Landesparteiobmann der ÖVP Wien, Erhard Busek, konnte den parteiunabhängigen Mauthe für die Mitarbeit gewinnen. Vom November 1978 bis zu seinem Tod war er für die ÖVP Wiener (nicht amtsführender) Stadtrat, bis 1983 außerdem Abgeordneter zum Wiener Landtag und Gemeinderat. Als Stadtpolitiker setzte er sich besonders für Stadtbilderhaltung und Denkmalpflege, die Wiederbelebung des echten Wienerliedes, die Beiselkultur und die Neue Wiener Küche ein und war der geistige Vater der Grätzelfeste und des Stadtfestes. Auch der „Altwiener Christkindlmarkt“ auf der Freyung, ein Adventmarkt nach Alt-Wiener Vorbild, geht auf die Idee von Jörg Mauthe zurück. Er beschäftigte sich außerdem intensiv mit Ortsbildpflege in NÖ und war Vordenker für die Dorferneuerung.

»In seinem letzten Lebensjahrzehnt, als Jörg sich immer stärker für die ÖVP engagierte und in der Folge als Stadtrat („ohne Portefeuille“) direkt in die Politik einstieg, kamen wir auf Distanz. Er war zum Berater und Intimfreund Buseks geworden, der davon sicher gewonnen hat, denn nach Jörgs Tod hat Busek bald an Popularität verloren. Ich mied die angebotene Mitarbeit und das Bekanntwerden mit seinen politischen Genossen, denn ich wollte mich nicht wie 1957 von ÖVP-Leuten vereinnahmen lassen.«

Während des Konfliktes in der Hainburg Au stand der bekennende Umweltschützer 1984 auf der Seite der Aubesetzer.

»Fast zur Entzweiung brachte uns ‘84 seine Teilnahme am Protest gegen den Bau des Donau-Kraftwerks bei Hainburg und für die Erhaltung der March-Donau-Auen. Ich hielt dies für einen parteipolitisch motivieren Kampf gegen die Gewerkschaft, nicht für echtes Engagement am Natur- und Umweltschutz. […] Auch unsere Tochter Friederike und ihr späterer Mann Rainer waren mit ihren alternativen Freunden dort. Ich bin, um mich zu informieren, mehrmals hingefahren, habe mich aber, angesichts der angetroffenen gemischten Gesellschaft, in der ich auch einige Altkummerln und Altnazis traf, nicht der Demonstration angeschlossen, weil ich zur Meinung kam, dass die sogenannte spontane Bürgerbewegung, eine inszenierte politische Aktion war, die eine bürgerkriegsähnliche Lage zu schaffen versuchte, um die Regierung und mit ihr die SPÖ zu schwächen. Ich habe Jörg übelgenommen, dass er mit seinen fraglichen Bundesgenossen unseren Logenbruder, den Bundeskanzler Fred Sinowatz unter Druck setzte. Wir haben uns in diesen Tagen nicht getroffen und es so vermieden uns zu streiten. Unser freundschaftliches Verhalten blieb bestehen, wir waren nie aufeinander bös. Als Sinowatz den Pressuregroups von rinks und lechts (zitiert nach Ernst Jandls) die „Nachdenkpause“ empfahl und Ruhe eintrat, redeten wir nicht mehr über die Vorfälle. […]

Ende August ‘85 […] erfuhren wir von Jörgs plötzlich akut gewordenen und fortgeschrittenen Krebserkrankung. Wir besuchten ihn in der Mollenburg, fanden ihn in der Sonne im Garten schreibend vor. Er zeigte sich gefasst, wir schwammen im zum Biotop umgewandelten Pool zwischen Seerosen und Wasserschwertlilien, tranken Kaffee und er rauchte seine Gitans wie immer. Beim nächsten Besuch lud er uns in den nahegelegenen Gasthof „Am Schuss“ ein – ein Abschiedsessen. […]

Im September feierte er nach einer letzten Rede im Gemeinderat auch seinem Abschied von der Loge mit einem alle Anwesenden rührenden Resümee seines FM-Lebens. Am 29. 12. nahm er noch eine Einladung zu mir ins Atelier an, betrachtete mit Wohlgefallen mein großes Wien-Triptychon. Gretel und mich bat er, uns um [seine Frau] Ditha zu kümmern, vor allem, sie zu unseren Ausflügen mitzunehmen. […]

Ein BR Arzt hat in bis zu seinem Tod am 6. Februar betreut. Zu seiner Einsegnung in der evangelischen Pfarrkirche in der Dorotheergasse kam Prominenz aus ÖVP und FM. Gedenkreden hielten ORF- und ÖVP-Granden und der Alt-GM Scheiderbauer. Die Teilnahme seines in den letzten Jahren zum Intimfeind gewordenen alten Freundes und BRs, des Bürgermeisters Helmut Zilk, hatte er „sich verbeten“. Um den aufgebahrten Leichnam schlossen wir, seine Br aus der Libertas Gemina, die Kette. Den Auszug der Trauergäste begleitete ein Schrammelquartett mit Altwienermusik. […]

Die Kremation fand ohne öffentliche Beteiligung statt, auch die Beisetzung der Urne in einem von seinen Söhnen restaurierten zur Kapelle umgewandelten Eckturm seiner Burg. Wenn ich hinkomme, meist ist es bei den alljährlich stattfindenden Einladungen der Loge in die Burg, die Ditha getreu eines ihm gegebenen Versprechens durchführt, besuche ich seine Grabstätte und spreche ein stilles Gebet meiner Art. Wir hatten unsere vielen Differenzen immer friedlich gelöst und waren Freunde geblieben. Unser langes Gespräch spiele ich in Gedanken manchmal weiter und wenn ich mir esoterische Präpotenz erlauben würde, könnte ich, analog zu den „Donnerstagbüchern“ von Frau Ingrisch ein launiges „Mittwochbuch“ darüber schreiben, denn Mittwoch ist der Tag, an dem die von ihm initiierte Loge Libertas Gemina zusammenkommt.«

Jörg Mauthe

Ferdinand Käs

Ferdinand Käs, 1914–1988, geboren in Brüssel, gestorben in Wien, war ein österreichischer Berufssoldat, im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv und nach dem Krieg Beamter.

Aus W.I.W.:

»Ich wusste nicht, dass er der Hauptakteur bei der Rettung Wiens in den letzten Kampftagen gewesen war. Dass wir einander erkannten, war nicht erstaunlich, war er doch bei meinem Bundesheerdienst 1936–37 der dienstführende Zugführer gewesen – der oberste Chargenrang unterhalb der Offiziersränge, das was bei den Deutschen „Mutter der Kompanie“ genannt wurde – ein witziger, aber ziemlich arger Schleifer. Ich hatte ihn schon vorher gekannt, woher weiß ich nicht, denn er war weder bei der sozialistischen Jugend gewesen, noch kannte ich ihn aus der Pfadfindergruppe, in die einzutreten mein Vater mir verboten hatte. Auch stammte er nicht aus den christlich-bündischen Kreisen um Fritz. Vielleicht kannte er mich aus der Schule, wo ich infolge vieler Eskapaden aufgefallen war. Wahrscheinlicher ist, dass er einer der Straßenbanden angehört hat, bei denen ich mich als Bub herumgetrieben habe.

Jedenfalls, als er mich 1936 in der Rossauerkaserne des erste Mal erblickte, nahm er mich zur Seite und sagte eindringlich: „Bednarik, ich kenn’ dich und weiß, wo du stehst. Mach mir nur ja in meiner Kompanie keine Spompanadln, sonst...“ Wir haben uns dann ganz gut vertragen und viele Gespräche über unsere Einstellungen zum Soldatentum geführt. Ich habe in ihm ein Modell für die Gestaltung einer literarischen Figur gesehen, die sich zum Heldentum berufen fühlt, und mir über seine Denkweise Gedanken gemacht, die später in meinem Roman „Der Tugendfall“ eingeflossen sind. Er war kein faschistoider Typ, aber als Soldat aus Überzeugung autoritär gesinnt und als Patriot ein treuer Diener des österreichischen Staates. Er gestand mir zu, ihm gegenüber Kritik an Missständen und sogar am Militarismus zu äußern, warnte mich aber, sie öffentlich in der Kaserne laut werden zu lassen. […] Als ich beim Scharfschießen nicht einmal die Scheibe traf, hat er mich zur Augenuntersuchung geschickt, weil er mich des ,Larschierens’ verdächtigte. Ich verdanke ihm meine erste, vom Bundesheer verordnete und bezahlte Brille. Nachher habe ich absichtlich nicht besser gezielt und getroffen, obwohl ich es gekonnt hätte. Dann hat er mich zuerst als Pferdeführer für die Infanteriekanone, der österreichischen Variante der deutschen Panzerabwehrkanone, und später zum Putzen der Offizierspferde eingeteilt. „Infanterist Bednarik, Sie sind Brillenträger, also ein Intelligenzler, also zu den Pferden!“ (Dienstlich waren wir per Sie.) Eine Möglichkeit zum Widerspruch gab’s nicht, also habe ich es spöttisch-gelassen hingenommen – eine Erfahrung mehr!

Auch hat er mich gelegentlich schikaniert, wenn meine Schuhe nicht auf Hochglanz geputzt waren. Eines Wochenendes hat er mir den Ausgangsschein verweigert, weil meine Haare trotz mehrmaliger Mahnung zu lang waren – ich suchte zwei Stunden in der Kaserne nach einem Friseur, als ich dann mit nur leicht gekürztem Haarschnitt in die Kompaniekanzlei kam, stellte er mir zufrieden lächelnd den begehrten Schein aus. Irgendwie muss auch ich ihn beeindruckt haben. Ich glaube, er war kein Bosnigl, er wollte nur aus mir einen guten Soldaten machen, was ich unter anderen politischen Vorzeichen möglicherweise sogar hätte werden können. Gegen Ende der Dienstzeit muss er eingesehen haben, dass ihm das nicht gelingen würde. Er wurde mir gegenüber milder. Als die großen Herbstmanöver bevorstanden, nahm er mich zur Seite und sagte, „Bednarik, aus dir wird sowieso nie ein Soldat. Willst’ nicht Putzer bei einem General sein? Ich versprech’s dir, da scheibst’ eine ruhige Kugel.“ Er wusste, dass mir Strapazen nichts ausmachten, hatte ich doch bei dem für Deutschmeister legendären feldzugsartigen Marsch Wien–Bruck a.d. Leitha mit einem Marschgepäck von 45 kg gesungen und Witze gerissen, als die Hälfte der Kompanie schon „auf dem Zahnfleisch“ dahin schlich und einige schon auf die Trosswagen hatten verladen werden müssen. Aber er wusste auch, dass ich bei solchen Einsätzen meine Patronen an knallwütige Idioten verschenkte, damit ich nachher wenig Mühe hatte das Gewehr zu putzen. Ich sagte zu und wurde freiwillig für einige Zeit das, was in der Monarchie „Pfeifendeckel“ genannt worden war. So verschaffte er mir für die vierzehn Tage eine Sinekure. (lat. „ohne Sorge“, bedeutet ein einträgliches müheloses Amt zu haben. Mir ist es deshalb geläufig, weil mir des öfteren in meinem Leben ungerechtfertigterweise vorgehalten wurde, ein solches zu auszuüben.) […]

Ich lebte lesend, zeichnend, schreibend und gut verpflegt auf einem Bauernhof, während sich alle anderen mit Marschgepäck und schwerer Bewaffnung im Waldviertel abschindeten. Den General habe ich nur ein einziges Mal gesehen, als er müde vom Feldherrnhügel ins Quartier kam und ich ihm beim Ausziehen der Stiefel helfen sollte. Da es mir nicht gleich gelang, zog er sie sich selbst aus und legte sich schlafen. Als ich am Morgen aufwachte, war er schon weg. […]

Bei unserem zufälligen Zusammentreffen war Käs in Zivil, wirkte aber nicht weniger soldatisch als früher. Er kam auf mich zu und, wenn es seine Art gewesen wäre, hätte nicht viel für eine Umarmung von seiner Seite gefehlt. Er war in euphorischer Stimmung. Auf meine Frage, wie er überlebt habe, erzählte er zuerst nicht von seiner tollkühnen Rettungsaktion für Wien. Nach der Okkupation war es ihm gelungen, aus dem von ihm nicht geliebten Deutschen Heer entlassen zu werden. Er war zur Zollwache gegangen. Später wieder zum Militärdienst eingezogen, erreichte er als höchsten Rang nur den eines Oberfeldwebels. Wenn er gewillt gewesen wäre, hätte er leicht eine Offizierslaufbahn einschlagen können, das hat er ja auch später im Dienst für Österreich bewiesen. […] Käs war dem Stab jener berühmt gewordenen österreichisch-patriotischen Offiziersgruppe zugeteilt gewesen, die sich zum Widerstand entschlossen hatte. Deren Wortführer, Major Carl Szokoll, hat später seine eigene Rolle in mehreren Berichten und in einem Buch ausführlich dargestellt.

Eine breite Widerstandsbewegung der (mir noch heute sagenhaft erscheinenden) bürgerlichen O5 und kommunistischen Gruppen unter der Führung Franz Honners sollten die Nazis entmachten und im Einvernehmen mit den Sowjets die Wiedererrichtung Österreichs in die Wege leiten. In der Hauptsache ging es darum, den totalen Kampf um Wien zu verhindern. Die Offiziersgruppe kannte detailliert die deutschen Verteidigungsstellungen – sie sollten den Sowjets übermittelt werden, um einen zerstörerischen Kampf um Wien von Haus zu Haus zu verhindern. Wie Käs mir erzählte, berieten die Offiziere allzu lange das Wie, Was und Wer, und konnten sich nicht entschließen. Da bewies er jene echt, und ich sage das ohne Ironie, heroische Haltung, die ich ihm immer zugetraut hatte. Ich habe seine Worte, so wie er es mir berichtete, heute noch im Ohr. Er sagte: „Meine Herren, ich ergreife die Initiative!“, nahm die Pläne der deutschen Stellungen, setzte sich mit dem ihm aus dem Deutschmeister-Regiment Nr. 4 vor 1938 vertrauten Obergefreiten Johann Reif als Fahrer in ein Auto und fuhr los.

Ich glaube ihm aufs Wort, dass es so war, auch wenn es andere Darstellungen gibt. Es gelang ihm, durch die deutsche und sowjetische Front zu stoßen und sich sowjetischen Offizieren als Parlamentär erkennen zu geben. Welchen Gefahren sie unterwegs ausgesetzt waren, davon hat Käs nichts erwähnt, das schien ihm wohl selbstverständlich. (Es gibt darüber einen abenteuerlichen Bericht von Richard West in der AZ vom 12. April 1970. Käs selbst hat seine Leistung in einem Vortrag 1965 ohne jede heroische Attitüde dargestellt – erschienen in den Monographien zur Zeitgeschichte im Europa Verlag 1965.) Am nächsten Tag stand er vor dem für die Eroberung Wiens beauftragten Marschalls Tolbuchin.
Dass er diesen überzeugen konnte, beweist das weitere Vorgehen der Sowjets. Sie sind mit ihren Hauptkräften nicht unwissend gegen die aufgezogenen Verteidigungsstellungen im Osten angerannt, sondern über den Wienerwald von Westen her eingedrungen, wo keine Truppen konzentriert waren. Große Teile Wiens wurden so vor der Zerstörung bewahrt. Mir wurde klar, weshalb die Sowjets von Klosterneuburg aus schon nach Langenzersdorf über die Donau herüber schießen konnten, als der Stephansdom noch in Flammen stand.
Die Pläne des Majors Szokoll, die widerstandswillige Offiziersgruppe gemeinsam mit zivilen Widerstandskräften aktiv in die Befreiung Wiens eingreifen zu lassen, sind nicht aufgegangen. So zurückhaltend er in der Dokumentation „Widerstand und Verfolgung in Wien 1934–1945“ über die Leistung Ferdinand Käs’ berichtet, (er nennt nicht einmal den Namen, sagt nur „einer meiner Ordinanzoffiziere ... wurde von mir mit dem Auftrag betraut“), so halbherzig scheint er sich auch beim Endkampf um Wien verhalten zu haben. So wie ja auch die Darstellung seiner Rolle bei der „Walküre-Aktion“, die – durch das Attentat Graf Stauffenbergs auf Hitler – den Aufstand gegen das Naziregimes hätte auslösen sollen, eher Entscheidungsschwäche als entschlossenes Handeln vermuten lässt. Übrigens: dass ein Anführer des gescheiterten Militärputschs nachher von seinen hitlertreuen Vorgesetzten zum Major befördert worden ist, verwundert mich.

Szokoll führt das Scheitern des 1945 von ihm geplanten Aufstands letztlich auf die Verhaftung des Kampfgruppenführers Major Karl Biedermann zurück, der beauftragt gewesen war, neben dem Schutz der Donaubrücken vor der Sprengung durch die SS, vor allem den Radiosender Bisamberg in den Dienst des Widerstands zu stellen. Szokoll berichtet, ein Gefreiter – dessen Namen er in seinem Bericht nicht nennt – habe den Plan seinem „zuständigen NS-Führungsoffizier“ gemeldet. Major Karl Biedermann und zwei weitere Offiziere, Hauptmann Alfred Huth und Oberleutnant Rudolf Raschke, wurden von der SS am 8. April am Floridsdorfer Spitz öffentlich gehenkt und der Bevölkerung zur Warnung zur Schau gestellt. Die Reichsbrücke hat eine sowjetische Kommandogruppe gerettet, die rechtzeitig die Sprengladung entschärfte. […]

Jedenfalls: Wenn der österreichische Widerstand so etwas wie einen Maria Theresien-Orden für außergewöhnliche, der militärischen Disziplin widersprechende und der eigenen Initiative entspringende, soldatische Leistungen zu vergeben hätte, Ferdinand Käs hätte ihn mehr verdient als jeder andere.«

Ferdinand Käs ➤

Friedrich Hansen-Löve

Friedrich Aage Hansen-Løve, 1919 –1997, dänisch-österreichischer Schriftsteller und ab 1956 Leiter der Hauptabteilung Kultur, Wissenschaft und Bildung des ORF.

Hansen-Løve wurde als Sohn eines dänischen Offiziers in NÖ geboren, er studierte in Wien Soziologie und Germanistik. Als Däne musste er keinen Militärdienst leisten. 1943 arbeitete er als Lektor für skandinavische Literatur beim Wilhelm-Frick-Verlag; 1947–54 war er Mitbegründer der Zeitschrift »Forum«, Redakteur der Zeitschrift »Wort und Wahrheit« und Mitherausgeber des »Magnum«; 1945 war er beteiligt an der Gründung des Europäischen Forums Alpbach. 1954 ging er zum Hörfunk und baute das neue Medium Fernsehen mit auf, 1956–67 war er Leiter der Hauptabteilung Kultur, Wissenschaft und Bildung im ORF. Ab 1957 entstanden zahlreiche Fernsehfilme und Film-Serien nach Ideen von Karl Bednarik, der in freischaffender Tätigkeit Drehbücher zu Themen der bildenden Kunst und Literatur verfasste, darunter zB. die ORF-Serie „Schwarz auf Weiß – Abenteuer der Zeichenkunst“ mit über 30 Folgen, das Fernsehmagazin „Basar“, Beiträge zur Film-Serie „Auf den Spuren von …“ und für die Sendung „Der Fenstergucker“ sowie zahlreiche Künstler-Biografien.

Aus W.I.W.:

»Fritz, vier Jahre jünger als ich, war mir schon als Dreizehnjähriger als intellektuell sehr lebendiger junger Mensch aufgefallen. Er führte damals eine bündische „Jungenschaft“, die stark kirchlich beeinflußt war und aus Buben bürgerlicher Herkunft bestand. Sie alle waren Mittelschüler und wirtschaftlich so gut situiert, daß sie, anders als wir Arbeiterkinder, in der Lage waren Auslandsreisen zu machen. An zwei ihrer „Fahrten“ erinnere ich mich, eine führte nach Albanien, eine andere nach Bulgarien, Ziele, die für uns unerreichbar waren. Die Gruppe machte eine eigene kleine maschingeschriebene „Zeitung“ namens „Oerva“, für die ich nach Aufforderung einmal „Jungen um ein Lagerfeuer“ zeichnete. Die meisten dieser Buben habe ich kennengelernt und drei von ihnen habe ich später als Freunde gewonnen. Der Älteste von ihnen ist Guni, mit vollem Namen Erwin Gunter Hubert, der später Bühnenbildner wurde und viel für das Fernsehen gearbeitet hat. Den beiden Jüngsten der Gruppe bin ich nach dem Krieg wiederbegegnet. Wolfgang Wieser studierte Zoologie und wurde Universitätsprofessor. Wolf Neuber wurde Schauspieler und ist als Autor und Gestalter von Radiosendungen bekannt geworden.

Ich hatte innerhalb meiner Plaudereien zu Bildern“, also den Sendungen, die Fritz „Bilderl-Radio“ nannte, so wie andere Feiertage, auch den 1. Mai berücksichtigt. […]

Diesmal hatte ich vorgeschlagen, das Thema anders anzupacken. Ich wollte zeigen, dass man den 1. Mai auch lockerer feiern könnte, als mit von Blasmusik begleiteten Aufmärschen. Ich stellte mir vor, zu zeigen, dass Arbeiter ihre errungene Freizeit, statt mit Defilees vor Parteiführern und Podiumsansprachen, als spielerisches Fest mit Jazz und Tanz feiern könnten, ja viele es auch wollten, denn eines war klar: die Massen waren längst nicht mehr für große Demonstrationszüge und Beflaggen der Gemeindehäuser zu gewinnen. Fritz hat meinen Vorschlag der Programmkonferenz vorgelegt und diese hatte ihn angenommen. Zur Mitarbeit hatte er den bekannten Jazz-Fan und Kommentator Günther Schifter gewonnen. Mein Konzept sah Filmeinblendungen und Live-Auftritte von Bands mit witzigen Kommentaren vor. Als wir probten, platzte mitten hinein Gerhard Freund und ließ kurzerhand die geplante Sendung „sterben“. […]

Trotz der Regierungskoalition zwischen ÖVP und SPÖ nahm im Medienbereich die Konkurrenz der Parteien dauernd zu. Generaldirektor Gerhard Freund war, im Sinne des Proporzes zwischen den Parteien, ein „Roter“, Fritz ein „Schwarzer“. Beide waren offiziell nicht weisungsgebunden, de facto aber unterstanden sie der Kontrolle der Parteifunktionäre, die auf sie Druck ausübten, das zunehmend populärer werdende Fernsehen propagandistisch zu nützen. Fritz hatte die schwächere Position – Freund als sein Vorgesetzter konnte ihm in die Programmgestaltung dreinreden, Fritz konnte nicht alles durchsetzen, was er beabsichtigte. […]

Die SPÖ-Parteizentrale war aufmerksam gemacht worden und hatte ihn im Sinn der „Parteidisziplin“ zur Ordnung gerufen. Ich, der alte „Arbeiterfeind“, sollte die Machtdemonstration der aufgestiegenen Klasse nicht entwürdigen dürfen. Dass mein Vorschlag, den Tag der Arbeit als heiteres Fest zu feiern, den Sozialisten hätte helfen können, verlorengegangene Anhänger zurück oder neue dazu zu gewinnen, haben sie erst Jahrzehnte später erkannt. Und da hat erst Mauthe als ÖVP-Stadtrat, mit der von mir übernommenen Idee, Strassenfeste zu veranstalten, beispielgebend vorangehen müssen. […] Fritz stand unter ähnlichem Druck – seine Partei warf ihm vor, den Roten zu wenig Widerstand entgegenzusetzen. Es wurde damals von führenden ÖVPlern erwogen, ihn abzuberufen und den Sportkommentator Edi Finger (Tor! Tor! Tor! – I’ wer’ narrisch!) zum Programmdirektor zu machen. Fritz hat mir erzählt, dass er in diesem Zusammenhang zum Bundeskanzler Raab gerufen wurde, der ihm gesagt hat: „Hansen-Løve, seien S’ ein Büffel!“, worauf er erwiderte: „Herr Bundeskanzler, ich bin kein Büffel, ich bin eine Gazelle!“ Fritz hat dann doch noch lange seinen Posten behalten – man dürfte seine Qualitäten letztlich höher eingeschätzt haben als die anderer Bewerber. […]

Unsere Auseinandersetzungen spitzten sich immer mehr zu. Als ich nun anfangs der Sechzigerjahre einige gut bezahlte Aufträge über die Lebensweisen der Menschen im 14., 15. und 16. Jh. von der „Telefilm“, deren Programmchef Jörg Mauthe war, übernahm, zeihte Fritz mich des Verrats – ich fiele ihm in den Rücken und mache überdies mir selber Konkurrenz. […] Wie dem auch war, er gab mir in der Folge fast ein halbes Jahr lang außer meiner laufenden Serie „Schwarz auf Weiß“ keine Aufträge. Ich kam dadurch in beträchtliche finanzielle Schwierigkeiten.«

[…]

Irgendwann hatte sich mein Verhältnis zu Fritz gebessert, wenngleich die frühere freundschaftliche gegenseitige Zuneigung nie wieder entstand. Er gab mir Aufträge, nicht nur weil er mir helfen wollte und glaubte, mir etwas schuldig zu sein, sondern weil zwischen uns in vielen Bereichen grundsätzliche Übereinstimmung herrschte und wir beiderseits auf Anregungen einzugehen vermochten.

Als er eine Reihe „Städtefilme“ begann, übertrug er mir die Aufgabe, ein Drehbuch über Rotterdam zu schreiben. Rotterdam war im Krieg eine der am meisten zerstörten Städte gewesen, dort hatte eine moderne Planung eine fast neue Stadt geschaffen. Ich flog hin, traf mich dort mit dem Regisseur Klapper, wir sahen uns gemeinsam die Bauten an – die Fußgängerzone in der Lynstraat, die so gebaut war, daß alle Zulieferungen für die Läden und Lokale über Nebenstraßen geführt wurden und ein integriertes Wohn- Handwerker- und Geschäfts-viertel in der Vorstadt, auch das völlig neu und radikal angelegte Straßennetz. Wir sprachen mit dem Chefarchitekten der Planung van Traa, der uns bestens beriet. Mein Drehbuch fand die Anerkennung von Fritz, der dann entstandene Film wurde wohlwollend beurteilt, es gab, aus welchen Gründen immer, keine Fortsetzung dieser Reihe. Ich hatte Mailand vorgeschlagen, das mich deshalb reizte, weil die ursprüngliche Planung von Leonardo da Vinci aus dem 15 Jh. in den Grundzügen noch erhalten geblieben war.

[…]

War es Einsicht in seine Ungerechtigkeit, die Erinnerung an unsere langjährige Freundschaft oder brauchte er mich doch, als er mich überraschend anrufen ließ, er habe einen größeren Filmauftrag für mich. Ich unterzog mich gerade einer Kur in Badgastein gegen ein fortschreitendes Ischiasleiden. (1958 war ich deshalb  an einer Bandscheibe operiert worden, nun war die nächste dran, aber ich wollte eine zweite Operation vermeiden und machte eine Streck- und Unterwassertherapie.) Vielleicht war das ein Grund für Fritz, mit mir Mitleid zu haben und mich zu „begnadigen“. Wie dem auch war, er gab mir den Auftrag, den Film „Auf den Spuren von Ivo Andric“ zu machen. Diesem jugoslawischen Schriftsteller war 1961 der Nobelpreis für Literatur verliehen worden und er sollte entsprechend gewürdigt werden.

„Auf den Spuren von …“ war eine sporadisch produzierte Serie, die wie viele andere Fritz erfunden hatte – er war der geborene Titelgeber. Eine andere Serie, „Das sollten Sie sehen“ war ebenso seine Idee gewesen, für sie hatte ich mein erstes durchgeführtes Filmdrehbuch geschrieben, das dem Schloß Greillenstein und der Familiengeschichte des Besitzers, des Grafen Kuefstein, gewidmet war. Der Film kam sehr gut an und wurde einige Male gezeigt. In der Folge entstanden innerhalb dieser Serie ein von mir vorgeschlagener Film über künstlerische Druckverfahrenen, angefangen von einfachen Linolschnitt über den Farbholzschnitt bis zu den komplizierteren Techniken der Radierung, der Lithographie und des mehrfarbigen Siebdrucks. Ich ließ diese Arbeiten von Künstlern wie die Professoren Franz Herberth und Carl Unger, sowie Kurt Moldovan, Anton Lehmden und Friedrich Fischer vorführen.

Fritz fiel mehr ein, als er ohne die Hilfe anderer je hätte bewältigen können. Deshalb brauchte er Leute wie mich zum Schreiben der Drehbücher und Texte. Nicht, daß mir nicht auch genug einfiel, aber er war der Auftraggeber, der meine Vorschläge annehmen oder ablehnen konnte. Der erste Film der Serie „Auf den Spuren“ war auf Grund meines Vorschlags Adalbert Stifter gewidmet gewesen. Ich hatte mich in das Werk Stifters Werk eingelesen, seit ich mich im Krieg intensiv mit dem „Nachsommer“ beschäftigt hatte. Diese bürgerliche Idylle, die in gewisser Weise eine Art Vorahnung von ökologischer Landwirtschaft enthält, hat mir während des Bombenhagels geholfen innere Ruhe zu finden. Die Novelle „Brigitta“, die für mich die Geschichte einer Frau ist, die den Versuch unternimmt, sich zu emanzipieren, hatte ich einig Male vergeblich zur Verfilmung vorgeschlagen. Und „Witiko" erschien mir weniger als ein Heldenepos über Ehre und Treue, sondern als ein politischer Appell an die Deutschen und Tschechen in Böhmen, friedlich miteinander zu leben. (Heute mag es als Kuriosum scheinen, daß uns die tschechoslowakischen Behörden die Einreise zu Dreharbeiten über Stifter verweigerten.) Es folgten, soweit ich mich erinnere, weitere „Auf den Spuren“ über Nestroy, Schiele und Trakl.«

[…]

Von 1975 bis 1990 arbeitete Hansen-Løve erneut für den Hörfunk und daneben als Herausgeber von Kierkegaards Schriften sowie als Essayist und Feuilletonist für viele Zeitungen. 1970 wurde ihm der Berufstitel Professor verliehen. Er starb 1997 in Wien.

Aus W.I.W.: Fritz Hansen-Løve †

»Am 9. 1. 96 brachte ZIB eine Meldung, dass Fritz Hansen-Løve am 7. 1. gestorben ist. Man zeigte sein Photo als junger Mann und erwähnte kurz seine langjährige Arbeit als Programmdirektor des Österreichischen Fernsehens. Gesagt wurde nur, dass er die beliebte Serie „Der Fenstergucker“ erfunden hat – kein Wort über seine Aufbauarbeit am Medium FS in schwierigen Zeiten. Die heutigen Macher wissen anscheinend nichts mehr davon oder haben es verdrängt. Mich hat diese Nichtbeachtung seiner Leistung fürs erste mehr betroffen als die Nachricht seines Todes selbst. Ich stehe – ungeachtet unserer „Todfreundschaft“ – nicht an, wie schon oft zuvor, zu behaupten, dass er im Vergleich, gemessen an den jeweils verschiedenen Arbeitsbedingungen und Finanzlagen, der beste aller bisherigen Leiter eines FS-Kulturprogramms gewesen ist.
Fritz ist einsam gestorben. Man hat ihn tot aufgefunden. Ingrid H., die sporadisch Kontakt mit ihm und seinem Freund Bernhard St. gehalten hat, rief mich an und äußerte die Vermutung, dass Fritz seinem Leben selbst ein Ende gesetzt hätte. Er habe seit langem gegen Schlaflosigkeit das Medikament Rohypnol benützt und vielleicht absichtlich eine hohe Dosis davon eingenommen. Wie dem auch sei: sein Tod ist für mich nicht überraschend gekommen. Er war schon länger dem Tod näher als dem Leben gewesen. Er hatte sich selbst zerstört und war verbraucht. Auf ihn trifft die Floskel von der Kerze, die an beiden Enden gebrannt hat, wie auf wenige andere zu. […]

Jetzt empfinde ich Bedauern über die beidseitigen Versäumnisse, die unsere einst so lebendige Freundschaft hatten zerbrechen lassen. Ich habe ihn in jungen Jahren wie einen leiblichen Bruder geliebt. Und er war wohl der intelligenteste und universal gebildetste aller damaligen Freunde. Bevor es zwischen uns berufliche Abhängigkeiten gegeben hat, habe ich uns als ebenbürtige geistige Partner gesehen, die alle ideologischen und emotionalen Differenzen friedlich lösen konnten. Vielleicht war die Brüchigkeit unserer Beziehung, wie oft zwischen eigenwilligen Personen, konstitutionell vorgegeben, wäre aber möglicherweise bei beidseitigem guten Willen zu überbrücken gewesen. Sinnlos, darüber nachzugrübeln. Ich werde deshalb nichts von dem streichen, was ich über ihn in diesen Aufzeichnungen geschrieben habe, das würde weder ihm noch mir gerecht werden. […]

In einem unserer letzten Gespräche so Mitte der 70er Jahre, als meine Zusammenarbeit mit ihm für das FS längst beendet war, hat er zu mir gesagt, „Wir sind einander nichts schuldig geblieben!“ Es war so, als hätte er sich selbst die Vorwürfe gemacht, die er anscheinend von mir erwartete. Aber ich hatte aufgehört, mich um seine Meinung über mich zu kümmern und übte längst andere von ihm unabhängige berufliche Tätigkeiten aus und kam damit besser zurecht als zuvor. Und er nahm keinen direkten Einfluss und kein sichtbares Interesse mehr an meinem Leben und meiner Produktivität. Wir waren einander verloren gegangen.«

Friedrich Hansen-Löve ➤

Peter Huber

Peter Huber, ca 1925–1975, Mäzen und Freund, in einer Bank als Werbeleiter tätig und zum Abteilungsleiter für die Automation aufgestiegen, wurde entlassen wegen „Verrat von Betriebsgeheimnissen“, welche die Quelle waren für das 1965 im Molden-Verlag erschienene Buch „Die Programmierer“.

Aus W.I.W.:

»Nach Abschluss seines Studiums begann Peter als Bankangestellter zu arbeiten. Er verdiente gut und da er meine finanzielle Lage kannte, bot er an, mir monatlich 100 Schilling vorzustrecken und sich dafür später Bilder auszusuchen. Das half uns fast ein Jahr hindurch über manche Schwierigkeit hinweg. So wurde Peter mein erster, zugleich einziger Mäzen. […]

Er „bombardierte“ mich seit Monaten mit Berichten von seinen neuen Erfahrungen [in der Bank]. Der Vorschlag gefiel den Verlegern, sie hatten, wie man auch mir nachsagte, die „Hand am Puls der Zeit“. Doch Peter hielt sich nicht für fähig, ein Buch zu verfassen – hatte er doch sogar seine Diplomarbeit von einem Ghostwrither schreiben lassen. Er meinte, ich solle das Buch schreiben – er würde mir alle Zugänge zu der Arbeit mit seiner Programmierergruppe ermöglichen. Er wusste, dass ich aus Interesse für Utopien seit langem Veröffentlichungen über Probleme der Kybernetik (der fächerübergreifenden Wissenschaft von Steuerungs- und Regelungsvorgängen) verfolgt hatte.

Er wusste auch, dass ich den führenden österreichischen Fachmann Prof. Zemanek in einem Alpbacher Seminar und später in Wien begegnet war und ihn einmal für eine FS-Sendung konsultiert hatte – dieser würde mir Interviews nicht verweigern und mir sachdienliche Hinweise geben können. Deshalb hielt er mich für besser als sich selbst geeignet, das Buch zu verfassen. Das meinten auch die Verleger, die großen Wert darauf legten, dass es entstehen sollte. Mir machte die Sache Spaß und ich ließ mich darauf ein – mit dem Gespür, dass es ein Bestseller würde. Nachdem ich mit Molden einen Vertrag geschlossen hatte, verbrachte ich mit Einwilligung der Generaldirektion einige Wochen mit Peters Team, sah den Leuten bei der Arbeit zu, ließ mir diese erklären. Ich kam mit ihnen privat zusammen, begleitete sie sogar bei einem Fußballmatch zu, das sie gegen die Mannschaft einer anderen Bankabteilung spielten und war nachher mit ihnen beim Heurigen. Ich brachte sie und den Systemanalytiker der Gruppe mit anderen, die sich mit Problemen der Automation beschäftigten, (theoretisch z.B. Heinz Scheiderbauer, praktisch Franzl Sallat im Telefondienst) zu Gesprächen in meinem Atelier zusammen. Ich holte Erkundigungen bei mir bekannten Schweizern und Niederländern ein, die Erfahrungen mit Computern hatten. Auch Beziehungen zu Angestellten einer zweiten Wiener Bank, die in diesen Tagen ihre Arbeit auf Computer umstellte, nützte ich aus. Nach drei Monaten Recherchen begann ich zu schreiben.

Peter kam jedes Wochenende, las die erste Niederschrift, fand bis auf wenige Formulierungen alles richtig. Gemeinsam feilten wir am Text, bis wir beide zufrieden waren. Vor der Ablieferung das Typoskripts, schlug ich Peter vor, ihn als Ko-Autor in der Titelseite zu nennen. Er lehnte ab: ich hätte das Buch geschrieben, von ihm sei nur die Anregung ausgegangen. Nicht einmal als Mitarbeiter wollte er genannt werden – er schien plötzlich die Eifersucht seiner Vorstandskollegen zu befürchten. Als das Buch ausgedruckt war, stellte es Molden in einer Pressekonferenz im Festsaal des Palais Dietrichstein vor – da war Peter allerdings dabei und versäumte nicht, auf seinen Beitrag hinzuweisen. Dieses Hervortreten in der Öffentlichkeit hat ihm geschadet.

Er bekam Schwierigkeiten mit gleichrangigen Kollegen im Vorstand, wurde des Verrats von Betriebsgeheimnissen angeklagt und seines Postens enthoben. Er erlitt einen Nervenzusammenbruch und wurde in eine Klinik gebracht, wo er einer Schlafkur unterzogen wurde. Ich war bestürzt. Was hatten wir falsch gemacht? Hatten wir zu deutlich gezeigt, dass es betriebsinternen Widerstand gegen die Automation gab? Die meisten der älteren Filial- und Abteilungsvorstände fühlten sich beleidigt. Ich empfand die Situation wie ein satirisches Kabarettstück. Mir fiel eine Farce ein, die der „Simpl“ gebracht hatte, in der Farkas und Waldbrunn als einfache Soldaten aufgetreten waren. Farkas fragte Waldbrunn, weshalb er im Militärarrest gewesen war. „Wegen des Verrats militärischer Geheimnisse“, bekam er zur Antwort. „Du? Was hast du denn verraten ?“ „Ich hab‘ gesagt, der General ist ein Trottel!“ War es nicht auch in diesem Fall so gewesen? Die Herren misstrauten dem Computer und bearbeiteten weiterhin eigenhändig alle Kontoveränderungen und Geldbewegungen, wobei sie natürlich mit der Schnelligkeit des Großrechners nicht konkurrieren konnten. Statt sich der neuen Technik zu bedienen, fühlten sie sich ihrer Kompetenzen beraubt und als Idioten hingestellt. Notwendigerweise hatten wir darüber berichtet, denn es ging ja in unserem Buch darum, dass durch den Computereinsatz Arbeitsabläufe beschleunigt wurden.

Weshalb Peter nach seiner Genesung mir böse war und die Beziehungen zu mir abbrach, blieb mir unverständlich. Schon während seines Krankenstands verweigerte mir seine Frau, mit der wir ja auch seit Jahren befreundet gewesen waren, jede Auskunft über ihn. Sie verbot mir den Besuch bei ihm, ich erfuhr nicht einmal, in welcher Klinik er sich befand.

Stark betroffen hat mich Peters Tod. Er hatte lange Zeit jede Beziehung zu mir und meiner Familie vermieden. Auch als ich von gemeinsamen Freunden erfahren hatte, dass er an Krebs erkrankt war und ich ihm meine Anteilnahme mitteilen ließ, blieb er mir eine Antwort schuldig. Bilder, die er von mir besaß, hingen weiterhin in seiner Wohnung. Man hatte ein Karzinom in der Netzhaut eines Auges entdeckt und dieses amputiert.

Mich bestürzte das, da ich ihn als stark visuell orientierten Menschen kannte – hatte er doch in jungen Jahren Maler werden wollen. Ich kann nicht verhehlen, dass ich seine halbe Erblindung, trotz rationalem Widerstrebens, als eine Art Rache der verratenen Musen empfand. Seine Liebe zur Malerei hat er dennoch nicht verloren. Sie hat dazu beigetragen, dass wir vor seinem Tod nochmals zueinander fanden.

Als ich die Galerie „Alte Schmiede“ leitete, kam er auf Grund einer Kunstkritik über die laufende Ausstellung überraschend bei der Türe herein. Er wusste nichts von meiner Anwesenheit, doch als er mich erblickte, rief er meinen Namen, stürzte auf mich zu und umarmte mich. Ich hatte mich schon damit abgefunden gehabt, dass wir einander nie mehr begegnen würden, nun waren wir wieder Freunde bis zu seinem Tod. Dieser kam nicht unerwartet, Metastasen waren unaufhaltsam fortgeschritten. Bei Peters Bestattung gab es einen dramatischen Vorfall. Er hatte eine Lieblingstante, deren Lieblingsneffe er gewesen war. Als der Sarg ins Grab gesenkt wurde, brach sie zusammen und starb innerhalb von wenigen Sekunden. Anwesende Ärzte bemühten sich vergebens um sie. Die Verwandten deuteten es so, Peter hätte sie mit sich fortgenommen.«

Grete Bednarik

Grete Bednarik, 1919–2012, geb. Margarethe Eleonore Maisel, Tochter von Anton Maisel und Maria, geb. Rihmal,
Jugendfreundin und lebenslange Gefährtin von Karl Bednarik.

Das sozialistische Elternhaus (der Bruder ihres Vaters war Karl Maisel, 1. Sozialminister nach dem Krieg), prägt Gretes Leben und ihre politische Einstellung, schon mit 13 Jahren führt sie eine Rote Falken-Gruppe.
Nach der Volksschule besuchte sie die 4-jährige Hauptschule in der Petrusgasse, danach eine Handels- und Haushaltsschule.
In einem sozialistischen Jugendheim im 3. Bezirk lernt sie Karl Bednarik kennen.

Aus W.I.W.:

»Es drängt mich, zu beschreiben, wie Gretel damals war. Sie war für mich vom ersten Augenblick unserer Begegnung einfach hinreißend. Sie war so geradlinig wie keine andere, die ich vorher gekannt und nachher kennengelernt habe. Sie war in einer natürlichen Weise stolz, nicht aus Dünkel, sondern aus instinktiver weiblicher Selbstsicherheit. Sie wußte, wer sie war und sie weiß heute noch, wer sie ist. Das, was man Identitätskrise nennt, ein Wort, das in unserer Jugend noch nicht modisch war, hat sie nie verstört. Ich habe von den ersten Tagen unserer Bekanntschaft an begonnen, ihr Gesicht zeichnend zu ergründen. Sie war das, was ich ein „Frontalmädchen“ nenne. Sie kannte keine schelmischen schiefen Blicke. Wenn sie mit jemanden redete, schaute sie ihm direkt in die Augen. Das blonde Haar trug sie kurz geschnitten, ohne Stirnfransen, nie die Stirn verbergend, nie hinter einem koketten Schleier von Haaren ihr Gesicht versteckend. Sie konnte herzlich lachen. Es war kein „Bauchaufschwunglachen“, wie ich forciertes Herausplatzen nenne. Ihr Lachen blieb immer an der Grenze des freundlichen Lächelns vor lautem Gelächter. Ihren schön gezeichneten Mund, für den ich immer, wie ich öfters im Spaß zu ihr sagte, drei Küsse bräuchte, um ihn ganz zu bedecken, hat sie erst beim Reden und Lachen hinter der Hand zu verstecken begonnen, als sie mit den Zähnen Schwierigkeiten bekam. Sie lachend zu zeichnen oder zu malen ist mir nie gelungen, was ich sehr bedauere, weil es gerade ihr Lachen war, was mich so sehr zu ihr hinriß.

Sie war das Wunder, das ich mir seit Jahren gewünscht hatte. Sie war so schön zum Anschauen, sie war so gut zum anfassen, sie roch so gut, – o, dieser Duft ihrer Haut! Ohne Parfum! – Sie schmeckte so gut, und ihre Stimme klang wie sanfter Celloton, und sie sprach so gut, ein gutes wienerisches Deutsch, vielleicht etwas erdbergerisch gefärbten Dialekt ohne groben Beiklang und schon gar nicht mit ordinären Ausdrücken. Und wie gut sie zuhören konnte! Nur wenigen Mädchen gegenüber habe ich meine Gedanken so frei formulieren können wie zu ihr. Wenn ich mit ihr redete, kam ich mir klüger vor als bei anderen Mädchen – sie forderte durch ihre Aufmerksamkeit meine Intelligenz heraus, brachte meine Gedanken in Bewegung. Dabei blieb sie immer selbständig, blieb immer sie selbst, scheute sich nicht zu widersprechen, wenn ihr meine Meinung mißfiel.

Wenn ich Gretel „aufziehen“ wollte, … nannte ich sie „sozialistische Prinzessin“. Für ein Proletarierkind war es kurios, luxuriöse Babywäsche mit eingesticktem habsburgerischen Monogramm zu tragen. Es handelte sich um Wäschestücke aus dem Besitz der Fürstin Windischgrätz, einer Enkelin des Kaisers Franz Joseph, legitime Tochter dessen einzigen Sohns, des unglücklichen Erzherzogs und Thronfolgers Rudolf. So unglaublich das klingen mag: Gretels Eltern waren legal in den Besitz der traditionsreichen Stücke gelangt. Die Fürstin war mit einem sozialdemokratischen Parlamentsabgeordneten, einem ehemaligen Arbeiter, verheiratet und fühlte sich der Arbeiterbewegung verbunden. Sie engagierte sich sehr für die in den 20er Jahren geschaffene sozialdemokratische Organisation „Die Kinderfreunde“, in der auch Gretels Vater in leitender Stellung tätig war. Er bekam die Wäsche von der Fürstin, die keine mehr sein wollte, für sein 1919 geborenes Töchterlein geschenkt. Gretels Mutter hat sie nach Gebrauch sorgfältig aufbewahrt und eine Generation später, als unsere erste Tochter Rosi geboren wurde, uns zum Gebrauch übergeben. Es spricht für die Qualität der Stücke, daß sie auch zum Drittenmal ihren Zweck erfüllten. Wären sie nicht schließlich doch dem Verschleiß unterlegen, könnten sie als familiäre Museumsstücke dienen.

Wie erfüllt von tapferer Fröhlichkeit sie war, zitiere ich aus einem alten Text, den ich anläßlich einer politischen Protestaktion gemacht habe: „… mit erhobenen Händen verstreute sie Flugzetteln, ließ sie weithin über die ganze Breite der Hagenmüllergasse flattern,“. Es war vor unseren alten Jugendheimen, visavis von dem Kloster, wo unsere klerikalen Gegner beheimatet waren. In dem Gemeindebau, wo wir viele Stunden unserer Jugendtage in Arbeiterkinderheimen als Rote Falken und Sozialistische Jugendliche zugebracht hatten, und den die bürgerliche Presse als einsturzgefährdet bezeichnet hatte, der aber heute noch fest steht, hatten sich Organisationen der Vaterländischen Front eingenistet. Gerade deshalb hatte sie sich diese Stelle ausgesucht. „Sie warf die Flugzettel lächelnd als streute sie Blumen. Es war noch heller Tag, die Aktion war knapp vor Arbeitsschluß angesetzt, damit viele der nachhause gehenden Arbeiter unsere Botschaft erreichte. Noch waren wenige Passanten auf der Straße, aber jeder von ihnen konnte ein Gegner sein und nach der Polizei schreien. Naderer gab es genug.
Die Polizei griff hart zu in diesen Tagen, wenn Gegner des Regimes sich bemerkbar machten. Keiner konnte wissen, wann so ein meist vom Land stammendes Exekutivorgan, im Volksmund „Mistelbacher“ genannt, nach der Waffe greifen würde. Gewiß waren sie nicht alle Mordgesellen, aber sie waren darauf gedrillt, das Wiener Proletariat niederzuhalten. Polizisten waren ermächtigt, bei Widerstand scharf zu schießen. Ein roter Proletarier weniger, darauf kam’s den schwarzen Bonzen nicht an.

Sie war in der Schule besser gewesen als ich, hätte leicht, wenn ihre Eltern wohlhabender gewesen wären, ins Gymnasium übertreten können. Sicher hatte sie fleißiger gelernt als ich, hatte auch von der damaligen Wiener Schulreform gewonnen, die der ehemalige Volksschullehrer Otto Glöckel gegen den Widerstand des Bürgertums durchsetzte.
Glöckel war schon in der Monarchie als Reichstagsabgeordneter und in der jungen Republik zuerst als Minister und später als Wiener Stadtrat für eine sozial gerechte Schule eingetreten. Unter seiner Führung erfolgte die Umbildung der bisher fünfklassigen Volksschule und dreiklassigen Bürgerschule in zwei vierklassige Stufen, deren zweite, die Hauptschule, einen Übertritt in die Mittelschule, also ins Gymnasium oder Realgymnasium ermöglichte. Die damit verbundene Veränderung der Lehrpläne eröffnete höhere Bildungschancen für Arbeiterkinder. An Stelle der dumpfen 5. Volksschulklasse, mit ihren einschläfernden oder bei den Schülern Renitenz herausfordernden Wiederholungen des schon Gelernten, wurden nun die Zehnjährigen mit neuen Wissensinhalten konfrontiert. Gretel profitierte davon, denn sie verblüfft mich zuweilen heute noch mit Kenntnissen aus ihrer Schulzeit, die ich mir erst viel später mühsam erwerben mußte. So hat sie immerhin so gut Englisch gelernt, daß sie später in England bestehen konnte. Sie besuchte die als musterhaft geltende, nach der Petrusgasse benannte Schule im 3. Bezirk, in der fortschrittliche Lehrer wirkten. Ich dagegen gehörte zum letzten Jahrgang, der sich noch in die engen Bänke der alten Bürgerschule zwängen mußte.
Ihr Jungmädchentraum war das Medizinstudium. Sie hätte das sicher geschafft, doch ihren Eltern war es unmöglich, ihre zwei Kinder ins Gymnasium zu schicken, oder das Hochschulstudium zu bezahlen. Also entschloß sie sich, in eine Krankenpflegeschule eintreten, was aber laut Gesetz erst nach Vollendung des 18 Lebensjahres gestattet war. Handelsschule und Haushaltschule besuchte sie deshalb, um die Zeit bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag zu überbrücken.
In ihrer Jugend zeigte Gretel nicht geringe Führungsqualitäten, was ihr durchaus eine politische Karriere ermöglicht hätte. Bewiesen hat sie das schon dreizehnjährig als Rote Falken-Führerin. Sie leitete damals eine vorwiegend aus wilden Buben bestehende Gruppe, deren meisten Mitglieder später in der Zeit der faschistischen Herrschaft im Widerstand mitarbeiteten.«

Gretel und Karli kennen einander ca 2 Jahre, als sie mit 18 Jahren beschließt nach England zu gehen, wo sie in einem Haushalt in Taunton, Somerset, eine Stelle als Köchin antritt. Der Briefwechsel aus dem Nachlass erzählt von der sich vertiefenden Liebe zwischen den beiden und beschreibt intensiv das Leben in England und Österreich in den Jahren 1937–39. Karl, damals 22 Jahre alt und arbeitslos in Wien, wird dienstverpflichtet am Bau der AB München–Stuttgart. Da er es finanziell nicht schafft nach England nachzukommen, kehrt Grete noch vor Kriegsbeginn nach Österreich zurück.
10 Monate später, am 13. 1. 1940 ist Hochzeit.

8 Monate in England, 1937–39

»Von ihren Eltern hatte ich erfahren, daß sich schon zweimal die Gestapo nach ihr erkundigt hatte, bei unseren Eltern ebenso nach Fritzi. Sie beide hätten zum Arbeitsdienst einrücken müssen. Sie hatten gerade noch einen Tag vor Torschluß ihre Visa nach England erlangt und waren sofort losgefahren. Sie waren, auf Grund einer Einladung der damals berühmten Opernsängerin und Filmschauspielerin Hella Kürty, noch mit österreichischen Pässen ausgereist. Da diese ungültig geworden waren, wurden sie ihnen von der deutschen Botschaft in England zur Überprüfung abverlangt und zurückgehalten.«

Aus dem Briefwechsel »Liebe Gretel! – Lieber Karli!«:

»………«

1940 – Zurück in Wien

Aus W.I.W.:

»Gretel und ich verbrachten kurioserweise gerade im August dieses Jahres einen der schönsten Urlaube unseres Lebens. Wir unternahmen in einer Woche eine Überschreitung der Hohen Tauern vom Großvenediger bis zum Großglockner. Diesen erstiegen wir über den Stüdlgrat, eine Kletterei mittlerer Schwierigkeit wobei 2000 Meter Höhenunterschied bewältigt werden müssen. Für uns schlecht ernährte und unzulänglich trainierte Städter keine kleine Anstrengung. Sie hat sich gelohnt. Die Schönheit der Berglandschaft, die wir genossen wie selten vorher, gab uns Kraft zu ertragen, was uns in diesem Jahr noch bevorstand.
Kaum waren wir wieder zuhause, begann eine Welle von Verhaftungen. Die Nazis schlugen jetzt zu, um möglichen Aktionen unsererseits vorzubeugen. Im Wiener Steyr-Werk wurden fünf Genossen aus unserer Zelle festgenommen. Von Freunden aus der Schneebergpartie und alten Genossen im dritten Bezirk, mit denen wir noch in Kontakt standen, erfuhren wir ebenfalls von Festnahmen. Die Gestapo ging dabei raffiniert vor. Sie holten die Leute nicht aus den Wohnungen, sondern aus den Betrieben, nahmen auch nicht ganze Gruppen auf einmal fest, sondern verhafteten sie einzeln in Abständen von einigen Tagen.«

Grete und Karl Bednarik wohnen zuerst in Langenzersdorf, danach in Wien, wo sie vom Wildganshof im 3. Bezirk 1949 nach Stadlau übersiedeln.
Grete bringt 5 Kinder zur Welt: Rosa Maria 1944, Anton 1946, Herbert 1947, Susanne 1949 und Friederike 1960.
Mit 81 Jahren betreut sie ihren Mann ein Jahr lang zuhause, er stirbt 86-jährig einen Tag nach ihrem 61. Hochzeitstag.
Grete lebt weiterhin allein und selbständig im Atelierhaus in Stadlau, oft besucht von ihren Kindern.
Sie wird 93 Jahre alt und hat bis dahin 12 Enkelkinder und 3 Urenkeln.

Im Februar 2019, anlässlich ihres 100. Geburtstages, geben ihre Töchter Rosi Grieder-Bednarik und Susanne Jungnikl den Briefwechsel von 1937–39 als Privatedition unter dem Titel »Liebe Gretel! – Lieber Karli!« heraus. 15 Exemplare werden gedruckt und an die Nachkommen verschenkt – ein Verlag wird gesucht!

Erhard Jungnikl

Erhard Jungnikl, 1940–2008, (Schwiegersohn), Musiker (Rockie Jackson), Schriftsteller, ORF-Sendung Trailer, Regisseur und Kameramann des Filmessays von Karl Bednarik 1974 „Reise in die Tiefe der Zeit“, ist durch Suizid aus dem Leben geschieden. Seine Tochter Saskia Jungnikl-Gossy verfasste 6 Jahre nach seinem Tod das Buch »Papa hat sich erschossen«.

Aus W.I.W.:

»Wie es uns gelang, das Geld für zwei Türkeireisen (1971 und '73) aufzubringen, weiß ich nicht mehr. Ich müsste aus alten Terminkalendern und Notizen heraussuchen, was alles an Artikeln und Features ich damals produziert habe – das ist mir zu mühsam geworden. Es reizt mich auch nicht, diese Reisen detailliert zu beschreiben – wichtig erscheint mir nur noch, dass durch sie mein Interesse an kulturantropologischen, archeologischen Erkundungen stark belebt wurde, was mich veranlasste, ein mit meinen Photos bebildertes Exposé für einen Film über die frühen Kulturen in Anatolien zu verfassen.

Der Filmemacher Erhard Jungnikl und der Maler Frieder Danielis, mit denen ich zufällig in einem Lokal zusammentraf und von meinem Plan erzählte, bestärkten mich in der Absicht, es dem FS vorzulegen. Erhard zeigte sich bereit, mit mir den Film zu machen. Dr. Lindner war beeindruckt und geneigt, das Projekt ins Auge zu fassen. Jörg Mauthe, „graue Eminenz“ in Bachers Team, der in den Programmkonferenzen ein entscheidendes Wort zu sagen hatte, meinte zwar: „Warum willst’ in die Türkei, ist Österreich nicht schön!“ „Natürlich“, erwiderte ich, „ich kenne es vielleicht besser als du! Aber was dort zu sehen ist, finde ich in Österreich nicht. Wenn du nicht dafür eintreten kannst, dann sei wenigstens nicht dagegen! […]

Wir waren den ganzen Mai unterwegs, bei Tag meist drehend, zuweilen die Nächte von Ort zu Ort fahrend. Ich habe wieder einmal „wir“ gesagt – es war ein kleines temporäres Wir, das sich in einem Monat gemeinsamer Arbeit, dauerndem Beisammensein von sechs Personen in der Enge des Ford-Transit-Wagens und bei allen Mahlzeiten ergeben hat. Neben Erhard, meinem Sohn Herbert und mir gab es drei turkstämmische Mitarbeiter, den Kameraassistenten Chahid, den Reisebegleiter Ali und den Chauffeur Chalil, die sich ohne ernsthafte Schwierigkeiten ins Team einfügten. Mit ihnen ergaben sich keine dauernden Kontakte, aber Herbert und Erhard sind Freunde und später Schwäger geworden, als Erhard und Susi sich fanden und heirateten, wodurch das Wir unserer Familie verstärkt wurde. […]

Meine Tochter Susi hat meinen Freund Erhard kennengelernt, als wir ‘74 an dem Film arbeiteten. Er ist ausgezeichneter Absolvent der Filmakademie, universell in allen Techniken der Filmarbeit ausgebildet, musikalisch und literarisch auf verschiedene Weisen kreativ. Auch er stammt aus einer Künstlerehe, seine Eltern waren akademische Maler. Erhards Vater war Ende der 40er Jahre mein Ateliernachbar in der Jakobergasse. Mit Erhards Eltern haben wir vor deren Tod eine fast freundschaftliche Beziehung herstellen können. Erhard wird von vielen Familienmitgliedern geliebt und geschätzt. (Zu meiner von manchem zuweilen bezweifelten Fähigkeit freundschaftliche Beziehungen zu pflegen und aufrechtzuerhalten, darf ich anführen: in Susis und Erhards Beziehung hat sich wiederholt, dass sich eine Frau aus meiner Familie einem meiner liebsten Freunde zugewandt hat — so wie meine Schwestern Fritzi Franzl Sallat und Anni Herbert Wadsack.) Mein Verhältnis zu Erhard hat sich im Lauf der Jahre gewandelt. Trafen wir uns früher infolge ähnlich gelagerter künstlerischer Ambitionen, treffen wie uns heute hauptsächlich aus familären Gründen. Er hat sich der evangelischen Kirche zugewandt und dieser seine Familie zugeführt. Neuerdings macht er wieder wie in seiner Jugend Musik – von Jazz, Blues und Country angeregte Popsongs zur Gitarre. […]«

Erhard Jungnikl ➤

Erhard Jungnikl YouTube ➤

Saskia Jungnikl-Gossy ➤

Karl Maisel

Karl Maisel, 1890–1982, Bundesminister für soziale Verwaltung 1945–1956; jüngerer Bruder von Anton Maisel, dem Schwiegervater von Karl Bednarik.

Karl Maisel wird am 3. November 1890, in Wien geboren. 1904, nach dem Tod des Vaters – ein Bäckergeselle, der in der Arbeiterbewegung aktiv war – verdingte sich die Mutter Eleonore als Wäscherin und zieht mit dem 14-jährigen Karl und dem 5 Jahre älteren Bruder Anton in eine kleine Wohnung im 3. Bezirk. Die Familie lebt in ärmlichen Verhältnissen, in der Wohnung gibt es zwei „Bettgeher“ und später eine Untermieterin. Maisel besucht die Bürgerschule und absolviert eine Maschinenschlosser- und Mechanikerlehre. Er arbeitet von 1919 bis 1926 als Mechaniker und Metallarbeiter und besucht daneben die Fach- und Arbeiterhochschule.

1926 bis 1934 wird er Sekretär der Metall- und Bergarbeitergewerkschaft. Er kandidiert für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei im 3. Bezirk und wird 1932 bis 1934 Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien. 1934 bis 1945 arbeitet er für die illegale Gewerkschaft und die Revolutionären Sozialisten.

Aus W.I.W.:

»Mein Mädel hatte in der Zwischenzeit einen ähnlichen Schock erlebt. Als sie zu einer öffentlich aufgerufenen Massenversammlung ging, bei der ihr Onkel Karl Maisel reden sollte, hatten die Polizisten, die zum Schutz der Demonstranten vor Nazi-Überfällen aufgeboten waren, plötzlich Hakenkreuzbinden über die Ärmel gestülpt, waren über die hoffnungsfreudig herbeiströmenden Menschen hergefallen und hatten sie prügelnd auseinander getrieben. Schon vor dem Einmarsch der Deutschen verhinderte die Polizei die von Schuschnigg gewünschte Solidarisierung der Österreicher gegen den Anschluss. Die Polizei besetzte in Wien sogar die Brücken, ließ nur Einzelpersonen passieren, um Kundgebungen des Volkswillens zu verhindern. Nach all unseren Erfahrungen mit der Exekutive hätten wir solche Reaktionen voraussehen müssen. Die Schnelligkeit, mit der alles ablief, überrumpelte jedoch alle. Die Entscheidungen fielen in den Zentralen der Macht und überholten den jeweiligen Informationsstand der Massen. Nur die Nazis wussten, was sie wollten. Es ging Schlag auf Schlag. Deutsche Bombengeschwader donnerten drohend über Wien, unsere Luftabwehr blieb unsichtbar. Schulen, Betriebe und Ämter blieben geschlossen. Bürckel, der vorgesehene Gauleiter, traf in Wien ein, am nächsten Tag waren schon die Panzertruppen General Guderians da, der Reichsjugendführer Schirach kam, Hitler ließ sich in Linz feiern, einen Tag später logierte er im „Imperial“, da griff auch schon Himmler mit seiner Gestapo zu.«

Nach dem Februar 1934 verliert Karl Maisel seine Funktion als Gemeinderat und Gewerkschaftssekretär. Für sein Engagement wird er wiederholt aus politischen Gründen festgenommen: Das austrofaschistische Regime hält ihn 1934 im Anhaltelager Wöllersdorf in Haft. In der NS-Zeit ist er 1937 bis 1938 inhaftiert, 1939 bis 1940 im Konzentrationslager Buchenwald. Im KZ muss er im Steinbruch arbeiten. Die schwere Arbeit und die unmenschliche Behandlung der Inhaftierten, vor allem der Juden und Polen, sind kaum zu ertragen. Maisel erlebt, wie Häftlinge absichtlich zu den Absperrungen gehen, um von den Wachposten erschossen zu werden. 1940 kommt er frei, er hat 30 kg abgenommen. 1944 nimmt ihn die Gestapo neuerlich fest.

»Wäre es gelungen, die Beschäftigung aufrecht zu erhalten, den Menschen eine auskömmliche Lebenshaltung und ihre sozialen Rechte zu sichern, so wäre es weder zum Faschismus noch zum Krieg gekommen.« (Karl Maisel, Nach der Rückkehr …)
Quelle: Verfolgt, verhaftet, ermordet – GewerkschafterInnen in der Nazizeit

Die aus den Konzentrationslagern und dem Exil zurückgekehrten GewerkschafterInnen nahmen ihre Arbeit wieder auf, wo sie im Jahr 1934 geendet hatte, beteiligten sich am Wiederaufbau Österreichs, des Sozialstaats und der Gewerkschaften.
Gleich nach Kriegsende wird Maisel bis 1962 Obmann der Gewerkschaft der Metall- und Bergarbeiter; 1945 ist er Mitbegründer, 1948 bis 1959 Vizepräsident des ÖGB. In der Folge wird er auch Mitglied des SPÖ-Parteivorstandes und 1945 bis 1955 Bezirksobmann der SPÖ-Landstraße, 1945 bis 1959 ist er Nationalratsabgeordneter; 1946 bis 1962 Präsident des ARBÖ und 1956 bis 1964 Präsident der AK Wien.

Die Führung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung hat er von 1945 bis 1956 inne, er initiiert in dieser Funktion zahlreiche Sozialgesetze. Das Sonn- und Feiertagsgesetz, Urlaubsgesetz (speziell für Bauarbeiter), Invalideneinstellungsgesetz, Betriebsrätegesetz, Kollektivvertragsgesetz, Landarbeitergesetz und Opferfürsorgegesetz werden 1948 beschlossen. Die Einführung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) 1956 sieht Maisel als seine wichtigste Leistung.
Im Vorfeld gab es darum politische Grabenkämpfe. Die ÖVP verbreitet, dass ArbeiterInnen und Angestellte nach der Verabschiedung des Gesetzes keine freie Ärztewahl mehr hätten, stundenlang warten müssten und dass die Beiträge für kostspielige Büropaläste ausgegeben würden. Karl Maisel wird als Verschwender tituliert, doch das Gesetz wird 1955 beschlossen und tritt am 1. Jänner 1956 in Kraft. Darin ist die Pflichtversicherung der ArbeiterInnen und Angestellten geregelt, es umfasst Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung und regelt die Krankenversicherung der Pensionisten. Während es das Pensionsrecht der Angestellten schon seit 1909 gibt, schafft erst das ASVG das Pensionsrecht auch für ArbeiterInnen.

Ehrungen: Für seine Verdienste erhält Maisel 1954 das Große Goldene Ehrenzeichen am Band der Republik Österreich, 1977 das Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs und wurde 1960 zum Bürger der Stadt Wien ernannt.

Am 13. März 1982 stirbt Karl Maisel in Wien. Er bekommt ein Ehrengrab am Zentralfriedhof. 1995 wird die Maiselgasse im 3. Bezirk nach ihm benannt, und im 11. Bezirk trägt eine städtische Wohnhausanlage seinen Namen. Sein Nachlass befindet sich im Archiv für die Geschichte der Arbeiterbewegung / Teilnachlass (Fotoalben, ungeordnet).

Karl Maisel

Gedenktafel Karl Maisel

 

Theodor Körner

Theodor Körner, 1873–1957, Wiener Bürgermeister (1945–1951) und erster vom Volk direkt gewählter österreichischer Bundespräsident (1951 bis 1957).

Theodor Körners Familie stammte aus Böhmen, sein Vater war k.u.k. Hauptmann, auch die Söhne schlugen eine militärische Karriere ein.
Nach dem Ende des Krieges wurde Körner Leiter des Präsidialbüros des Staatsamtes für Heereswesen der Deutschösterreichischen Volkswehr. In dieser Funktion setzte er sich besonders für die Verteilung der Konsumgüter an die Bevölkerung ein, die noch in beträchtlichen Mengen in den Depots der ehemaligen K.u.k. Armee lagerten.

1924 trat Körner der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei. Anschließend begann seine Karriere als Politiker, wobei ihm seine Bekanntheit als Offizier im Frontbereich zugute kam.
Bei Ausbruch des Bürgerkriegs am 12. Februar 1934 wurde er wie viele andere Sozialdemokraten verhaftet, aber am Ende des Jahres unter strengen Auflagen wieder entlassen. Danach hatte er nur wenig Kontakt zu anderen Sozialdemokraten und beschäftigte sich hauptsächlich mit militärwissenschaftlichen Arbeiten.
Nach dem Bombenattentat gegen Hitler am 20. Juli 1944 wurde er erneut verhaftet, aber bald wieder entlassen, weil man ihm seine tatsächlich bestehenden Kontakte zum Widerstand nicht nachweisen konnte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er Abgeordneter zum Nationalrat und – nachdem viele andere Kandidaten abgesagt hatten – als Bürgermeister von Wien nominiert und am 17. April 1945 bestätigt.

Körner kamen in diesem Amt und jenem des Bundespräsidenten seine Sprachkenntnisse und seine Eigenschaft als ehemaliger General des Bundesheeres, der sich im Ersten Weltkrieg nichts zuschulden kommen ließ und auch im Widerstand tätig war, bei den Verhandlungen mit den Besatzungsmächten sehr zugute.

Nach dem Tod Karl Renners 1950 nominierte ihn die SPÖ als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl, die er in einer Stichwahl am 27. Mai 1951 unerwartet gewann.

Nach seinem Tod 1957 nahmen mehr Menschen als je zuvor Anteil an der Begräbnisfeier seit 1916, als Kaiser Franz Joseph bestattet worden war.

Aus W.I.W.:

»Anfangs April 1948 bekam ich den Auftrag ein Bild für den Bürgermeister Körner zu malen – es sollte ein Geschenk zu seinem bevorstehenden fünfundsiebzigsten Geburtstag werden. Den Auftrag erteilte mir Vizebürgermeister Honay, ein jovialer Herr mittleren Alters, dem meine in einer Mappe vorgelegten Arbeiten zu gefallen schienen. Er führte mich in den sogenannten Roten Salon des Rathauses, der zu den Amtsräumen des Bürgermeisters gehört und wo Empfänge prominenter Gäste stattfinden. Von dort gelangt man auf einen zum Rathausplatz gerichteten Balkon.

Von hier aus, erklärte mir Honay, blicke Körner gern auf die Parkanlagen hinunter. Diesen Ausblick solle ich malen. Nicht zu vergessen sei dabei, die „Körnereiche“ ins Bild zu bringen. Wo die stehe, wollte ich wissen. Honay zeigte auf ein inmitten eines Rasenflecks stehendes winziges Stämmchen, das von riesigen alten Bäume umgeben war. Der Bürgermeister habe es selbst gepflanzt und gehe täglich hin um es eigenhändig zu gießen, deshalb der Name. Ich fand das ein bisschen komisch und zugleich rührend. Das war, bei meiner nicht sehr auf Details gerichteten Seh- und Malweise, keine leichte Aufgabe. Aber ich nahm selbstverständlich an. Eine Schwierigkeit ergab sich aus Termingründen. Der Geburtstag stand in wenigen Tagen bevor. Es war zu spät für ein Ölbild, es wäre bis dahin nicht getrocknet. Also machte ich einige Temperastudien vom Rathausplatz mit der Ruine des Burgtheaters im Hintergrund. Honay kam einigemal, um mich zu mahnen, die „Körnereiche“ ja nicht zu vergessen. Die endgültige Fassung malte ich auf dem größten mir zur Verfügung stehenden Papier. Den Rasenfleck vergrößerte ich, und das Eichenstämmchen habe ich, der Anforderung entsprechend, schnell etwas wachsen lassen. Zur Geburtstagsfeier und der Überreichung des Bildes war ich nicht eingeladen, man hat mir nur gesagt, der Bürgermeister habe sich davon überzeugt, dass seine Eiche drauf war.

Die 800 Schilling, die ich als Honorar erhielt, konnten wir gut gebrauchen, denn in diesen Tagen erkrankte Herbert [Sohn, geb 1947] schwer. …«

Theodor Körner ➤

Otto Anton Eder

Otto A. Eder, 1930–2004, war Regisseur, ab 1955 beim Österreichischen Rundfunk

1962–1964 Fernsehmagazin mit je einem Themenschwerpunkt wie ‚Auswüchse der modernen Architektur in Europa‘, ‚Kleiden Kleider Leute?‘, ‚Die Welt auf Rädern - Eisenbahn einst und jetzt‘, ‚Alles, was Flügel hat, fliegt‘ oder ‚Von Spielen und Spielern‘. Die ORF-Crew produzierte das meiste Material. (Kommentar: Erik Frey, Regie: Axel Corti, Otto Anton Eder, Wolfgang Glück, Walter Klapper, Drehbuch: Karl Bednarik, Originalkonzeption: Karl Bednarik, Produktion: Friedrich Hansen-Löve, Kamera: Gerald Ferk, Egon Gödel)

Aus W.I.W.:

Den Anstoß zum Film über Andric hat Fritz [Hansen-Løve] von Dorka Schlang bekommen. Nach Beendigung der Kur brachte mich Fritz mit ihr zusammen. Er bot mir das höchste Honorar an, das er mir je gezahlt hat. Dieses Angebot konnte ich nicht ausschlagen. Ich vertiefte mich in die Lektü-re der Romane „Die Brücke über die Drina“ und „Wesire und Konsuln“. Mich reizte die The-matik, weil es um das Zusammenleben verschiedener Völker und Religionsgemeinschaften ging.

Otto A. Eder

Erich Lessing

Erich Lessing, 1923–2018, Fotograf

Erich und Traudl Lessing waren gute Freunde der Familie Bednarik.

1969 verfasste Karl Bednarik Essays zum Bildband »Entdecker des Weltraums«, welche die »6 Biographien in Farbbildern erzählt von Erich Lessing« ergänzten. Das Vorwort und Programm der Weltraumfahrt stammt von Wernher von Braun, die Astronomische Beratung von Udo Becker.

Aus W.I.W.:

»[…] Dazwischen kam, daß mir der Herder Verlag anbot, für einen Bildband unter dem Titel „Ent­decker der Weltraums“ Biographien über sechs große Astronomen, beziehungsweise Physiker zu verfassen. An der Entstehung war Molden nicht unbeteiligt, denn, wie man mir erzählte, hatte er bei einem zufälligen Zusammentreffen während einer Flugreise mit dem Photographen Erich Lessing und dem Verlagsdirektor Tetter mich als Autor vorgeschlagen. Lessing hatte eindrucksvolle Farbphotos der Wirkungsstätten von Kopernikus, Kepler, Galilei, Pascal, Newton und Ein­stein vorgelegt – ich sollte in meinem Text ihre naturwissenschaftlichen Erkenntnisse als eine konsequente Abfolge darlegen, die bis zur Weltraumfahrt unserer Tage geführt hat. Das war eine Aufgabe, die mich interessierte.

Zur Ergänzung der Lessing’schen Photos gewann ich Dr. Ingrid Hänsel, die liebe Freundin aus alten Tagen und Mitarbeiterin aus der Zeit meiner Fernseharbeit, die eine große Zahl alter Illustrationen beibrachte, die das Buch ungemein belebten. Ich hatte den Einfall, den Raketenbauer Wernher von Braun ein Vorwort und eine kurze Darstellung des Welt­raumflugs schreiben zu lassen, was dieser tat und zur Folge hatte, daß auf dem Schutz­umschlag des Prachtbandes sein Name neben dem von Erich Lessing aufschien, meiner jedoch nicht. Ärgerlich war ebenfalls, daß Ingrid Hänsel im Buch nicht genannt wurde, obwohl der Verlag es versprochen hatte.

Eine witzige Episode, die mir Spaß machte, ergab sich bei den Überlegungen für die äußere Form des Buches. Die Lessings wünschten eine besonders originelle Gestaltung und hatten dafür den Designer Peter Perz erwählt. Dieser schlug vor, das Buch im Sinn des Themas rund zu gestalten – denn im Weltraum bewege sich alles im Kreis. Es kam zu einer komischen Szene, als vier, fünf Personen um den Tisch im Hause Lessings saßen und ernsthaft diskutierten, wie ein Buchbinder eine solche Form bewältigen könnte, was technisch natürlich unmöglich ist.«

Erich Lessing

Hans Muhr

Hans Muhr, *1934, Studium bei Prof. Heinz Leinfellner, seit 1973  freischaffender Bildhauer

Gefördert von Karl Bednarik, Ausstellung der Galerie Alte Schmiede an der ART BASEL mit den ersten Brunnen.

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Hans Fronius

Hans Fronius, 1903–1988, Maler, Graphiker und Illustrator.

Aus W.I.W.

Fritz Hansen-Löve wollte mir damals den Auftrag geben, für seinen Verlag Märchen von Andersen zu illustrieren. Dazu fühlte ich mich noch zu unerfahren und empfahl ihm, sich an Hans Fronius zu wenden, der die Aufgabe übernahm.

Hans Fronius

Heinz Scheiderbauer

Heinz Scheiderbauer, 1923–2020 war BBC-Kameramann, 1960 Gründung Film-Produktionsfirma, Freimaurer, 17 Jahre lang Meister der Großloge von Österreich bis 2002.

Aus W.I.W.:

»Einen meiner letzten Filmaufträge bekam ich von der „Fernsehfilm-Produktion Dr. Heinz Scheiderbauer“, den die „graue Eminenz“ der sozialistischen Kulturpolitik Liwanec vermittelt hat. Er war Mitglied des FS-Kuratoriums und nützte seinen Einfluß, drei Filme über bildende Kunst bestellen zu lassen. Daß ich den Auftrag bekam, hat sein damaliger Sekretär Otto Steininger veranlaßt. (Mit Steininger war ich seit einiger Zeit befreundet. Er hatte zwei Ausstellungen für mich arrangiert, eine in der Galerie der Jungen Generation in der Blutgasse und eine in der Buchhandlung der SPÖ.) Allerdings kam es zu Komplikationen zwischen Liwanec und mir, die auf Mißverständnissen und zu wenig Kommunikation zwischen uns beruhten. […]

Liwanec verwarf meine wohl zu anspruchsvollen, weil internationale Entwicklungen betreffende Vorschläge. Er bestand darauf, Wiener Künstler vorzustellen. Da ich dringend einen lohnenden Auftrag brauchte, zog ich mein Exposé zurück und entwarf drei Filme über die Wiener Kunstszene seit 45. Diese drei Filme machte ich mit Elio Carniel, er führte die Kamera, gemeinsam machten wir im besten Einvernehmen die Regie. Otto Staininger wirkte als Berater und Vermittler zu Liwanez mit. Wir hatten einigen Ärger und viel Spaß dabei und mir halfen die Einkünfte über die Ausfälle anderer Fernsehaufträge hinweg.

Der erste Film stellte die „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ vor. Den Begriff hatte der Kunstkritiker Hans Muschik geprägt, der für das Parteiblatt „Die Volksstimme“ schrieb und als eifriger Kommunist auf den Terminus „Realismus“ nicht verzichten wollte. Der Film faßte die Werke einer inhomogenen Gruppe von Malern zusammen, deren Herkunft vom Surrealismus erkennbar war, die aber durchaus eigenständige Aussagen zu machen hatten, und das meist in altmeisterlicher Manier. Das Hauptgewicht legte ich auf Anton Lehmden, Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Arik Brauer und Wolfgang Hutter. […] Auch einige weniger arrivierte Aussenseiter wie Gerhard Swoboda und Arnulf Neuwirth nahm ich hinzu. […]

Selbstverständlich habe ich in den Film auch den als Mentor der „Phantasten“ geltenden Professor Paris Gütersloh hineingenommen. Er selbst arbeitete in dieser Zeit hauptsächlich an seinem großen Roman „Sonne und Mond“ und produzierte nebenbei winzige mit Kinder-Deckfarben gemalte Bildchen. Einige davon habe ich im Film gezeigt.

Die Wiener Schule phantastischer Realisten

Im zweiten Film „Die Abstrakten und die Realisten“ kontrastierte ich abstrakte und expressiv-realistische sowie neoimpressionistische Arbeiten und versuchte die Zusammenhänge beider Richtungen zu zeigen. Merkwürdigerweise stammten die meisten der bekanntgewordenen jungen Maler und Zeichner dieser Richtungen ebenfalls aus der Meisterklasse Gütherslohs. Dieser gestattete seinen Schülern große Freiheit – er ermunterte sie geradezu, sich Freiheiten herauszunehmen. […] Die extremsten Vertreter dieser Richtung protegierte Monsignore Otto Mauer in der Galerie St. Stephan. […] Vorwiegend waren es Mikl, Hollegha, Prachensky und Rainer. Wie bei den ersten der drei Filme arbeiteten wir auch für diesen in den Ateliers einiger Maler. Überall kam es zu kleinen nebensächlichen Begebenheiten, die mir in Erinnerung geblieben sind.

Meinem pluralistischen Kunstbegriff entsprechend brachte ich also in diesem Film auch „echte Realisten“ hinein, die noch unmittelbar nach oder nahe der Natur malten. Einer davon war Friedrich Fischer, der auf Cezanne zurückgriff und seine Bilder aus Farbflecken, gewissermaßen „Formquanten“, zusammensetzte. Kurt Absolon sowie Kurt Moldovan gingen völlig eigene Wege real Sichtbares expressiv zu verfremden, indem sie Unwichtiges aussparten oder Bildzusammenhänge abrupt abbrachen.

Als Ausnahme zeigten wir die spontane Teppichwebekunst von Fritz Riedl. […] Er webte ohne Vorzeichnung völlig frei und schuf so formal und farbig interessante Teppiche, die man als abstrakt bezeichnen könnte, wenn sie nicht im Betrachter Erinnerungen an pflanzliches Wachstum und starke natürliche Bewegungen wachrufen würden.

Die Wiener Gruppe abstrakter Maler

Im dritten Film lag das Hauptgewicht auf dreidimensionaler Bildnerei, vor allem der Bildhauerei. Er begann mit einem Schuß Aktionismus, der sich noch in seinen Anfängen befand. […]

Als ich Wotruba besuchte, um seine Meinung zu erkunden, kam es zu einem skurrilen Gespräch, das mich noch heute amüsiert. Auf meine Frage nach seiner Bewertung der Arbeiten österreichischen Kollegen, dachte er einige Augenblicke nach, sagte dann allen Ernstes: „Österreichische Bildhauer? Da gibt´s zuerst einmal mich, dann kommt lange nichts, und dann – vielleicht – den Avrimides!“ Ich mußte lachen. „Aber, Sie haben in Ihrer Meisterklasse doch Dutzende Leute ausgebildet, da müßten mehr als nur einer zu finden sein!“ Ich nannte einige Namen. Er ließ sich auf keine Diskussion darüber ein, […] Selbstverständlich habe ich in diesem Film auch einige seiner Werke gezeigt, schloß dann an mit Arbeiten seiner Schüler. […] Andreas Urteil (war kurz zuvor 30jährig an Leukämie gestorben), Goeschl, Heinz Leinfellner, Wander Bertoni und Maria Biljan-Bilger.

Maria Bilger, war die „Exotin“ der Gruppe. Sie zeigte in ihrem Wesen – sowohl in ihrer Aufmachung (heute würde man sagen Outfit) wie in ihren künstlerischen Arbeiten – balkanisch-zigeunerische Züge, die nicht nur auf mich, sondern auch auf viele ihrer Freunde, ungemein reizvoll wirkten. Es kam auch ein Schuß mexikanischer Kunst hinzu, von der sie sich an-läßlich einer in Wien gezeigten Ausstellung sehr beeindruckt zeigte. Sie verstand es, alle diese Einflüsse in ihren Arbeiten zu integrieren und diese zu selbständiger Wirkung zu bringen. Eine ihrer öffentlich bekannten dekorativen Arbeiten befindet sich im Hietzinger Einkaufszentrum, das der Architekt Wolfgang Windbrechtinger gestaltet hat. Zu ihren wohl am meisten gesehenen Arbeiten gehören sicherlich ihre Wandgestaltungen in der vom berühmten Architekten und Hochschulprofessor Rainer errichteten Wiener Stadthalle. Ich besitze einen auf grobem Leinen gemalten und mit Kartoffel-Stempeldruck versehenem Teilentwurf, den sie mir aus freundschaftlicher Zuneigung geschenkt hat. Er zeigt wild kämpfende Figuren, die von einem Schiedsrichter überwacht werden.
Unsere Anfreundung kam dadurch zustande, weil ich daran beteiligt war, daß sie ein freigewordenes Atelierhaus in der Stadlauer „Künstlersiedlung“ beziehen konnte. […]

Keramische Arbeiten zeigte ich auch von Lisbeth Eisler, einer bescheidenen Gegenspielerin Marias. Auch sie arbeitete in archaischer Technik ohne Benützung der Drehscheibe. […]

Der von Wotruba am meisten abgelehnte seiner Schüler war Alfred Hrdlicka, wohl deshalb weil dieser als „Kummerl“, wie wir damals die linientreuen Kommunisten nannten, anscheinend dem „Sozialistischen Realismus“ huldigte. Das war aber nicht so – Hrdlicka war und ist für mich ein Expressionist in Reinkultur, ein erratischer Block, der sich dem Intellektualismus in der Kunst entgegenstellt, und durch nichts zu bewegen ist, die menschliche Natur, ob die äußere oder die innere, zu ignorieren. Seine geschundenen und gekreuzigten Menschen (und ihre Schinder) sind für mich in der Intensität der Aussage vergleichbar den Gestalten in Grünewalds Isenheimer Altar […]

Bei der Arbeit an diesen Filmen haben wir viel Spaß und nur wenig Ärger gehabt. Fast ein Jahrzehnt lang habe ich dann keinen Film gemacht.

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Wolfgang Windbrechtinger

Wolfgang Windbrechtinger, 1922–2011 war Gründungsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Architektur, Architekturbüro mit seiner Frau Traude, geb. 1922, Architektin, 1974 hatte Windbrechtinger gemeinsam mit Wilhelm Holzbauer die Kärntnerstraße zwischen Oper und Stephansplatz zu einer Fußgängerzone umgestaltet.

Wolfgang und Traude waren gute Freunde der Familie Bednarik. Es gab imm wieder Besuche und gemeinasame Ausflüge.

Aus W.I.W.:

»Eine der öffentlich bekannten dekorativen Arbeiten von Maria Bilger befindet sich im Hietzinger Einkaufszentrum, das der Architekt Wolfgang Windbrechtinger gestaltet hat. […]

1975 nahm ich das Angebot Kurt Biaks an, die Leitung der „Galerie Alte Schmiede“ zu übernehmen, die vor allem der Förderung junger wenig oder noch nicht bekannter bildender Künstler dienen sollte. […] Da ich als Filialleiter des Verlags ein regelmäßiges Gehalt bezog, gehören die folgenden Jahre bis 80 zu den für mich zu den wirtschaftlich konsolidiertesten, aber auch zu den anstrengendsten meines Lebens. Es gelang mir der Galerie einen Namen in der Wiener Kunst­szene zu machen, aber zerriß mich dabei fast. Ich nannte mich damals zuweilen spaßhaft, doch eigentlich nicht so ganz nur im Spaß, den „Kunst-Hausknecht der Gemeinde Wien“, denn, zeitweise ohne Mitarbeiter, rahmte, hing oder stellte ich die ausgewählten Arbeiten meist mit eigenen Händen. […] Die Belastung ließ mir wenig Zeit für eigene Produktivität.

Alles was ich in diesen Jahren geschrieben habe, waren Texte über die Künstler für die Ausstellungsankündigungen. Gemalt habe ich wenig. Nur zwei größere Projekte gelangen.

Wolfgang Windbrechtinger vermittelte mir die Gestaltung beschichteter Glasfenster für die von ihm errichtete Schule und den Kindergarten in Ennsdorf.
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Wolfgang Windprechtinger »

Herbert Wadsack

Herbert Wadsack, 1912–2004 war Schriftsteller, Dichter, kam 1946 nach Wien, 1947–1957 war er Fabriksarbeiter, von 1957–1972 Bibliothekar der Wiener Städtischen Büchereien. Das Gedichtwerk. Mit einem Essay von Karl Bednarik. Herausgegeben von Roman Rocek. Schwager von KB (Anni, der ältere Schwester von Karl Bednarik).

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Fritz Molden

Fritz P. Molden, 1924–2014, österreichischer Widerstandskämpfer, Journalist, Autor, Verleger und Diplomat.

Aus W.I.W.:

»Fritz Molden hatte einen kleinen Privatverlag namens „Alduspresse“ gegründet. Als erstes Bändchen erschienen Herberts Gedichte. Weitere Autoren waren Ernst Jirgal mit „Roggenprosa“ und Otto Basil mit „Apokalyptischer Vers“. Roman Haller gestaltete die Büchlein im Handsatz in Keller seiner Wohnung in einem Gemeindebau am Wiedner Gürtel. Gedruckt hat er sie in der Hochschule für Graphik, wo er inskripiert war. Seinen Lebensunterhalt verdiente Roman als Barkeeper in einem Lokal für Ami-Offiziere. Dabei kam er zuweilen an Lebens- und Genußmittel heran, die uns nicht zugänglich waren. Er war kein geiziger Mensch und hat davon manchen von uns etwas zukommen lassen. […]«

1964 erfüllte Fritz Molden sich einen langgehegten Traum: Er gründete seinen eigenen Buchverlag, den Fritz Molden Verlag, der Memoiren, Sachbücher (darunter von Karl Bednarik: 1965 Die Programmierer, 1966 Die Lerngesellschaft, 1967 Die Krise des Mannes) und moderne Bestseller herausbrachte und durch seine auffallende Werbung und die namhaften Autoren bald international bekannt war. 1982 schlitterte er in den Konkurs; ein Großteil der Buchrechte wurde an Bertelsmann verkauft. Molden verlor, abgesehen von seinem Privathaus in Tirol, seinen gesamten Besitz.

»Fritz Molden gründete einen Verlag und suchte Autoren. Er und sein Produktionsleiter Gerd Bacher hatten sich an meine früheren sozial- und kulturkritischen Bücher erinnert und luden mich ein, Vorschläge zu machen. Es war ein neuer Anfang – ich hatte eine Menge Ideen im Kopf und wir redeten darüber. Molden bot an, mit mir einen Vertrag abzuschließen und Vorschüsse zu zahlen.
Zwischen 1965 bis 1968 erschienen meine drei Bücher „Die Programmierer“, „Die Lerngesellschaft“ und „Die Krise des Mannes“. Es wäre zwar nicht müßig, auf die inhaltlichen Aussagen einzugehen, denn, auch wenn sie, meiner Überzeugung nach, an Aktualität wenig verloren haben, sind Exemplare dieser Bücher nur noch in einigen Zentralbibliotheken oder im Privatbesitz zu finden.«

Fritz Molden

Familie Molden

Den Dichter und Schuldirektor Ernst Jirgal lernte ich im Haus der Familie Molden kennen. Ernst Molden war Journalist und gründete in diesen Tagen als erster Herausgeber die Tageszeitung „Die Presse“. Verheiratet war er mit der Dichterin Paula Preradovic Otto Molden. /Forum Alpbach – Karl Popper (Vortrag und Diskussion mit Friedrich von Hayek 1945); Arnold Kayserling sang zur Gitarre Songs aus der Dreigroschenoper, Jörg Demus spielte auf der Geige , Michael Kehlmann inszenierte mit Studenten auf dem Kirchenplatz eindrucksvoll Goethes „Urfaust“. Fritz Hansen-Löve diskutierte philosophische Probleme mit Paul Feyerabend. Heinz Zemanek redete über die sich anbahnende Entwicklung „denkender“ Maschinen, behauptete im utopischen Überschwang, daß in der Zukunft Dichter nicht mehr gebraucht werden würden, weil bald Maschinen alle Denkleistungen zumindest ebensogut, aber schneller als Menschen verrichten könnten. … Heinz Löffler, Biologiestudent, bereitete eine Expedition nach Persien vor, die der Erforschung der Fauna und Flora von Salzwasserseen dienen sollte. Wir besprachen, daß er bei mir Zeichenunterricht nehmen würde. Im Ganzen war alles sehr beeindruckend, ich lernte viele sympathische junge Leute kennen, aber ich gehörte nicht zu ihnen. Es sind übrigens alle genannten Studenten später Universitätsprofessoren oder prominente Wissenschaftler geworden. Hermann Hänsel, Wolfgang Wieser, Robert und Tanja Haardt. Hermann konzentrierte sich auf die Gen-Forschung speziell der Pflanzenwelt, Wolfgang widmete sich den ökologischen Lebensbedingungen der maritimen Fauna, Robert studierte Ägyptologie unter dem Gesichtspunkt der koptischen Kultur, Tanja nützte ihre Sprachbegabung zur Ausbildung zur Dolmetscherin. Was geblieben ist, das sind individuelle freundschaftliche Beziehungen. Fritz Molden 1924-2014, (Verlag), (Bücher: Programmierer, Krise, Lerngesellschaft)

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Viktor Matejka

Viktor Matejka, 1901-1993 war  Kulturstadtrat, Kulturpolitiker und Publizist, KPÖ-Abgeordneter, Kunstsammler (Hähne und Porträts).

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Hausner, Tasquill, Pippal

Mit Hans Robert Pippal, dessen Bilder mir schon früher in Ausstellungen aufgefallen waren, weil sie nicht ins Schema „Deutscher Kunst“ paßten, kam es zu einem näheren Kontakt. Er hatte als Soldat ein Bein verloren und als Kriegsversehrter sein Studium fortgesetzt. Seiner Aussage nach hatte er einer Widerstandsgruppe angehört. Wir besuchten einander. Er arbeitete viel in Pastell, ganz anders als der Schwarz als Farbe bevorzugende Alpbacher Maler Werner Scholz – ich erinnere mich an Pippals hübsche, locker ausgeführte Akte in hellen Farben. Er ließ mich eines davon aussuchen, ich revanchierte mich mit einem meiner Arbeiten. Für meine Bilder fand er für mich schmeichelhafte Ähnlichkeiten mit denen van Goghs und deutschen Expressionisten. Als Vorstandsmitglied der „Gemeinschaft bildender Künstler“ lud er mich ein beizutreten. Ich stellte mich vor und wurde aufgenommen. Bei der ersten im Jänner 46 stattfindenden Ausstellung der Gemeinschaft war ich nicht in Wien. Pippal hatte einige meine Arbeiten bei Gretel abgeholt, darunter eine Pastellskizze eines Mädchens mit zwei Amisoldaten, das ich in Tirol gemacht hatte. Es war spontan als politisch-sozialkritische Studie entstanden und ich nannte es „Wirtshausszene“ und Frau Dr. Spitzmüller hat es für die Albertina angekauft. Es war mein erster Verkauf in einer Ausstellung, noch dazu an eine sehr angesehene Institution. Als später Koschatzky Direktor wurde, hat er behauptet, daß die Albertina kein Blatt von mir besitze. Aber ich habe den Brief, in dem mich der Sekretär der Gemeinschaft von dem Ankauf verständigt und mir mitgeteilt hat, daß ich den Betrag bei ihm abholen könne. Laut meiner Aufzeichnung waren es 200 Mark. Aus dieser geht auch hervor, daß kurz darauf die Stadt Wien für ihre Sammlungen die zwei Blätter „Peripherie“ und „Alpbach“ um je 250 und den Zyklus „Nachher“ um 1000 Mark gekauft hat. Ich wurde deshalb nicht gerade größenwahnsinnig, denn das Geld reichte kaum, um die Familie zu ernähren und Malmaterial zu bezahlen, ich fühlte mich jedoch anerkannt und konnte meine Arbeit fortsetzen. Studienkollegen: Alfred Karger, Robert Schmidt, Kurt Absolon 1925-58, Fritz Fischer, Ernst Fuchs (16-jährig) und Avramides … (wir bildeten einen kleinen Gesprächskreis), Kurt Moldovan, 1918-77,

Elisabeth Eisler

Elisabeth Eisler, 1920 – 1976 war Keramikerin und Grafikerin, (…aus dem gehobenen Bürgertum, studierte zuerst an der Wiener Frauenakademie und trat im WS 1941/42 in die Akademie, in die Allgemeine Malerschule unter der Leitung von Prof. Dimmel und Prof. Pauser, ein. Sie war römisch-katholisch getauft und galt als „Mischling 2. Grades“. Auf ihr Ansuchen um Bewilligung der Fortsetzung ihres Studiums erhielt sie folgende Antwort: „[...] Wie Ihnen bereits vor einigen Tagen mitgeteilt wurde, ist nach den jetzt bekannt gewordenen Bestimmungen das Hochschulstudium für Mischlinge nur mit besonderer Bewilligung des Reichserziehungsministeriums möglich. [...] Der Rektor. … ab dem Sommersemester 1942 durfte sie nicht mehr studieren, sie erhielt das eingezahlte Unterrichtsgeld zurück. Im Sommersemester 1945, gleich nach Kriegsende, inskribierte sie erneut. Im neuen Studienakt ist als Grund für die Studienunterbrechung „lt. Nürnberger Gesetz Studienverbot“ vermerkt. Nach weiteren drei Semestern legte sie im Februar 1947 ihre Diplomprüfung ab “)

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Maria Biljan-Bilger

Maria Biljan-Bilger, 1912 – 1997 war Keramikerin und Bildhauerin, Mitbegründerin des Art-Clubs, wohnte auch in Stadlau (wie viele), 1970–87 Leitung des „Symposions Europäische Bildhauer, St. Margarethen. 3. Ehe 1985 mit dem Architekten Friedrich Kurrent, sie lebten in Sommerein, Bgld, wo sie eine alte Kapelle zur Wohn- und Arbeitsstätte umbauten, heute Ausstellungshalle.

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Wolfgang Wieser

Wolfgang Wieser, 1924–2017 war österreichischer Zoologe, Physiologe, Evolutionsbiologe und Hochschullehrer an der Universität Innsbruck Hermann (und Ingrid, Kunsthistorikerin) Hänsel, 1918–2005, Züchter – Forscher – Philosoph, Universität für Bodenkultur, Institut für Biotechnologie in der Pflanzenproduktion, 1951 bis 1988 leitender Züchter der Probstdorfer Saatzucht (Weizen)

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Grete Jost

Grete Jost, 1916–1943, entstammte einer Arbeiterfamilie in Wien-Erdberg und war eine kommunistische Widerstandskämpferin gegen den Austrofaschismus und Nationalsozialismus, Am 8. Februar 1941 wurde sie verhaftet. Auch im Gefängnis versuchte sie den Widerstand weiter zu organisieren. Am 23. September 1942 wurde Jost wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt. Sie wurde am 15. Jänner 1943 im Wiener Landesgericht geköpft. Ihre letzten Worte sollen gelautet haben: „Es lebe die Freiheit!“

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Familie Frieda Bultmann

Familie Frieda Bultmann (hat bei der Caritas die Leitung des Heims für strafentlassene Jugendliche in der Geblergasse in Ottakring übernommen) KINDER: Henning, Klaus, Bernhard (Lektor bei Otto Müller Verlag), Hildegard Katholisch, in der Not der ersten Nachkriegszeit, befand sie sich wirtschaftlich in einer erbärmlichen Verfassung. Die ihrer Familie gnadenhalber überlassene Wohnung im Hinterhof des Palais Esterházy war arg vernachlässigt, die Bekleidung desolat, die Ernährung kärglichst. Nur der Geist war ungebrochen. Es herrschte Aufbruchsstimmung, so als läge wirklich eine „Neue Zeit“ vor uns. Über Bernhard wurde auch berichtet, daß er einigen Priestern geholfen hat, aus dem brennenden Stephansdom vor dessen Einsturz Kunstschätze zu bergen.

Der Neue Hagenbund

Der Neue Hagenbund, gegründet 1948 von Elisabeth Stemberger, Hans Robert Pippal, Franz Luby und etwa zwei Dutzend weitere, darunter auch ich. Der Neue Hagenbund ist kein Rechtsnachfolger des „alten“ Hagenbunds; nur ein einziges Mitglied (Carry Hauser) war auch Mitglied des Hagenbunds vor 1938. Präsidenten waren nach Rudolf Richly unter anderem Franz Luby (1954-1962), Franz Herberth (1962-1965) und Christoph Donin (ab 1966). 1948 entstand auch der „Artclub“ , wo sich fast alle Künstler zusammenfanden, die für sich in Anspruch nahmen, die Avantgarde zu sein. Im altrenommierten „Künstlerhaus“ waren die „Konservativen“ beheimatet. In der „Sezession“ sammelten sich die „Modernen von Gestern“. Der Hagenbund vertrat keine bestimmte Richtung, er wollte offen sein für Qualität jeder Art, ein schwieriges Unterfangen. Albert Paris Gütersloh (1887-1973) wurde bald darauf Professor an der Akademie und aus seiner Klasse sind sowohl die ersten österreichischen Vertreter des „phantastischen Realismus“ wie die der „abstrakten Malerei“ hervorgegangen. Anton Lehmden, Swoboda, Neuwirth Msig. Otto Mauer, später der österreichische Kunstpapst der „Abstrakten“ Josef Mikl, Markus Prachensky, Wolfgang Hollegha, Arnulf Rainer, Martha Jungwirt

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Sandra Kreisler, Rosi Grieder-Bednarik
Sandra Kreisler, Rosi Grieder-Bednarik

Im September sendete Ö1 eine Folge der »Menschenbilder« über Rosi Grieder Bednarik. Das Interview führte Lukas Tremetsberger, gesprochen hat Sandra Kreisler. Quelle: ORF Radio Ö1, „Menschenbilder"/ Die Grafikerin Rosi Grieder-Bednarik / 4. 9. 2022 (Zur Verfügung gestellt von Johann Kneihs)

Interview mit Rosi Grieder Bednarik in Ö1 »Menschenbilder«


Originaltexte zu Weggefährt:innen und FreundInnen: Karl Bednarik

Andere Texte: Rosi Grieder

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